Blue Collar Cyborgs

Von Dr. Wolfgang Keplinger, ROI Management Consulting AG

In der Smart Factory muss ein Großteil der Informationen aus dem Tagesgeschäft in Echtzeit verfügbar sein. Mensch-Maschine-Schnittstellen (engl: Human Machine Interfaces, kurz HMIs) machen dies möglich. Die Wearables bzw. interaktiven Assistenzsysteme helfen z. B. bei der Kommissionierung, Montage, Fertigung, bei Service- und Wartungsaufgaben oder der Mitarbeiterqualifizierung. Wir stellen besonders nützliche HMIs vor, die Fertigung und Logistik schneller, flexibler und fehlerfreier machen.

Headsets

Kopfhörer mit Mikrofon sind das heute wohl bekannteste und in der Logistik am weitesten verbreitete interaktive Assistenzsystem. Ihre Hauptanwendung ist Pick-by-Voice, bei der der Kommissionierer mittels akustischer Ansagen zum nächsten zu greifenden Artikel geführt wird und mittels Sprachbefehl die Ausführung bestätigt.  

Smart Glasses 

Die Datenbrille projiziert zusätzliche Informationen über ein transparentes Display oder eine Laserprojektion in das Sichtfeld. Die Brille zeigt etwa dem Kommissionierer den Weg zum nächsten Artikel, wie viele Stück er davon ergreifen soll und bestätigt die Durchführung der Aufgabe durch Scannen des Artikel-Barcodes. Einige Firmen arbeiten bereits daran, die Funktionalitäten von Smart Glasses auf Kontaktlinsen zu übertragen, sog. Smart Contact Lenses. Nach aktuellen Prognosen sollen diese im Zeitraum 2018/2019 am Markt zugelassen und erhältlich sein.

RFID-Armbänder und Sensor-Armbänder

Ein RFID-Transponder wird in ein Armband integriert, womit der Anwender eindeutig identifiziert ist. Somit lassen sich Maschinen auf die Körpergröße des Anwenders automatisch einstellen oder die angezeigten nächsten Arbeitsschritte auf das Qualifikationsniveau des Mitarbeiters anpassen. Damit kann auch die Erlaubnis verbunden sein, eine bestimmte Anlage in Betrieb zu nehmen oder eine bestimmte Reparatur durchführen zu dürfen. Die Ausführung kritischer Arbeitsschritte ist dokumentierbar; ebenso, wer ein bestimmtes Produkt montiert, geprüft oder freigegeben hat. 

RFID- und Datenhandschuhe

Ein RFID-Handschuh verfügt über ein RFID-Lesegerät zum Auslesen von Daten aus RFID-Transpondern. Damit sind die Hände des Anwenders frei und ein Umbuchen der kommissionierten Ware erfolgt mehr oder weniger selbsttätig. Ob aus dem Regal auf den Kommissionierwagen, von diesem auf das Versandpaket oder die Versandpalette: Ein Scan-Schritt ist nicht länger notwendig. Der Datenhandschuh dagegen ist ein 3D-Eingabegerät, das im Zusammenhang mit Virtual Reality die flexible und einfache Erfassung von bestimmten Arm- oder Fingerposition oder die Bestimmung von Position und Lage des Handschuhs relativ zur Umgebung ermöglicht. Damit werden VR-Anwendungen möglich oder Roboter gesteuert.  

Magic Shoes

In Schuhe eingearbeitete Microchips messen und übertragen Daten. Damit kann der Anwender z. B. Maschinen durch Gesten mit den Füßen steuern, aber auch umgekehrt (Warn-)Signale durch eine Vibration des Chips empfangen

NFC-Ringe

In einem Ring befindet sich ein Transponder, der über NFC (Near-field Communication) mit der Umgebung über kurze Übertragungsdistanzen kommuniziert. Damit werden Anlagen oder Smartphones entsperrt, Türen oder Zugangskontrollen geöffnet oder Kommissionierfehler verhindert. 

Datenuhren und Unterarmcomputer

Datenuhren sind Mini-Computer für das Handgelenk, die meist mit einem mobilen Gerät gekoppelt sind. Sie sammeln Informationen vom Träger (z. B. die zurückgelegte Wegstrecke) oder zeigen ihm Arbeitsaufträge an. Ergänzend dazu projizieren Projektorarmbänder Bildsignale eines Handhelds direkt auf den Unterarm des Anwenders. Die Bedienung des Monitors erfolgt dann direkt auf der Haut. 

Motion Capturing Clothes

In die Gewebefasern eingearbeitete Sensoren messen Bewegungen des Trägers und generieren Daten zum Träger. Ziele dieser HMI-Gruppe sind u. a. eine bessere Gesundheit der Arbeitnehmer, was wiederum zu einer längeren Erhaltung der Arbeitskraft und einem Rückgang von haltungs- oder unfallbedingten Arbeitsausfällen führen soll.   Exoskeletons Neben Anwendungen im Kranken- und Rehabilitationsbereich gibt es immer mehr Unternehmen, die Exoskelette zur Unterstützung von Arbeitskräften bei schweren Hebe- oder Handhabungsarbeiten anbieten. Die Firma Panasonic hat z. B. einen Assist Suit entwickelt, der Logistikmitarbeiter bei den vielen täglichen Hebeprozessen von Paketen unterstützt und so speziell den unteren Rückenbereich entlastet.

Die heute zukunftsweisenden HMIs sind beeindruckend. Dennoch sind sie lediglich Zwischenschritte auf dem Weg in eine wirklich smarte Welt, die von „Ambient Computing“ bestimmt wird, einer allgegenwärtigen, aber nicht physisch wahrnehmbaren Intelligenz: „Compared to what’s coming, they are like the Commodore PET or those huge car phones in old movies … We are a long way from the invisible, omnipresent computer in Starship Enterprise.“ Walt Mossberg