„Nachhaltigkeit war lange Zeit eher ein Nebeneffekt“

Industrial Sustainability entsteht dort, wo Nachhaltigkeit, Innovation und Prozessexzellenz zusammentreffen. Wenige Produkte verkörpern dieses Prinzip so gut wie der Schneckenverdichter von H&G Systems.

Die Entsorgungslösung des mittelständischen Unternehmens aus dem Siegerland ermöglicht die Verdichtung großvolumiger Abfall- und Wertstoffmengen – von Kunststoff- und Verbundmaterialien über Kartonagen bis hin zu Einweg- oder Europlatten. Dank des elektromechanischen Direktantriebs und einer besonderen schneckenförmigen Wendel, die die Eigenspannung des Materials bricht und eine konstante Vorwärtsbewegung erzeugt, erreicht das Produkt im Vergleich zu herkömmlichen hydraulischen Presssystemen deutlich höhere Durchsatzleistungen und Füllgewichte. Aufgrund der höheren Transportgewichte können so die Transportauslastung optimiert und bis zu 50% CO2 eingespart werden.

Gleichzeitig ist die H&G Gruppe selbst ein Beispiel für unternehmerische Nachhaltigkeit: Als inhabergeführtes Familienunternehmen beliefert der Technologie- und Marktführer vom Unternehmenssitz in Burbach aus Kunden auf der ganzen Welt mit seinen Produkten und trägt so dazu bei, die steigende Flut von Abfall- und Wertstoffen in Logistik und Handel zu beherrschen.

Gespräch mit Alexandra und Bernd Henrich, Geschäftsführer der H&G Entsorgungssysteme GmbH

 

 

DIALOG: Herr Heinrich, der Schneckenverdichter verspricht bis zu 50% CO2-Reduzierung gegenüber herkömmlichen Entsorgungslösungen. Welche Rolle spielt dieser Nachhaltigkeitsaspekt für Ihre Kunden?

BH: Ich glaube, die Perspektive darauf hat sich stark verändert. Als wir in den 1990er Jahren mit der Entwicklung des Schneckenverdichters begonnen haben, ging es zunächst um ganz konkrete Fragen der Prozesseffizienz: Wie kann man die Entsorgung von Kartonagen organisieren, ohne dass Müllfahrzeuge zweimal am Tag die Laderampe blockieren? Wie lässt sich die Anzahl der Fahrten durch höhere Transportgewichte reduzieren? Natürlich hatte das schon damals einen Einfluss auf die Reduzierung des CO2-Ausstoßes – aber im Vordergrund stand die Optimierung der betrieblichen Abläufe und der Entsorgungskosten. Nachhaltigkeit war sozusagen ein Nebeneffekt. Inzwischen beobachten wir, dass dieser Aspekt immer mehr in den Vordergrund rückt, weil Unternehmen ihren CO2-Fußabdruck genauer betrachten und aktiv nach Ansatzpunkten suchen, ihre Prozesse nachhaltiger und ressourceneffizienter zu gestalten.

 

DIALOG: Hat diese stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeitsaspekte bei Ihren Kunden auch Ihre eigenen Prozesse verändert?

BH: Ganz erheblich sogar. Wir sind heute in der Lage, unsere Produkte klimaneutral anzubieten. Dazu haben wir unseren eigenen CO2-Fußabdruck ermittelt und arbeiten seither kontinuierlich daran, unsere Wertschöpfungsprozesse weitgehend klimaneutral zu gestalten. In der Produktion betrifft dies zunächst die Art der Energieversorgung: Mit einer Kombination aus Photovoltaik und Blockheizkraftwerk erzeugen wir mittlerweile 60 Prozent unseres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen selbst. Den Rest haben wir auf Ökostrom aus regenerativen Energiequellen umgestellt. Darüber hinaus versuchen wir an verschiedenen Stellen, die Ressourcenverschwendung zu reduzieren, z.B. durch Investitionen in neue Anlagen, wie zwei neue Lackieranlagen mit Wärmerückgewinnung, die zum einen den Energieverbrauch senken und zum anderen Lackverluste reduzieren.

 

DIALOG: Der größte Teil der CO2-Emissionen entsteht in der Lieferkette. Gerade Stahl als wesentlicher Bestandteil Ihrer Produkte ist ein sehr klimaintensives Material. Was bedeutet das für Ihr Supply Chain Management?

BH: Stahl ist nun einmal ein Rohstoff, bei dessen Herstellung große Mengen CO2 freigesetzt werden. Neue Prozessmethoden zur CO2-neutralen Stahlproduktion mittels grünen Wasserstoffs könnten das eines Tages ändern – aber das wird noch etliche Jahre dauern. Bis dahin setzen wir auf CO2-reduzierte Stähle und arbeiten daran, unseren Supply Chain Footprint zu optimieren, indem wir die Materialien, die wir für die Herstellung unserer Maschinen benötigen, möglichst in Europa einkaufen. Das ist leider nicht immer einfach, da viele Stahlwerke in den vergangenen Jahren ihr Portfolio verkleinert haben. Weiterhin lassen wir bspw. auch die mechanische Bearbeitung unserer Maschinen weitestgehend in der Region vornehmen.

 

AH: Bei der nachhaltigen Gestaltung unserer Lieferkette sind wir stark auf unsere Partner angewiesen. Das gilt auch für das Thema Transparenz: Um den Footprint unserer Maschinen verlässlich ausweisen zu können, müssen wir unsere Lieferanten und Vorlieferanten in die Pflicht nehmen, nachzuweisen, wie die CO2-Bilanz von Materialien und Vorprodukten aussieht, wenn wir sie in unsere Maschinen verbauen. Das sind Dinge, die wir im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie bereits sehr genau unter die Lupe nehmen.

 

DIALOG: Die H&G Gruppe ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen. Wie prägt das Ihren Blick auf das Thema Nachhaltigkeit?

AH: Nachhaltiges Unternehmertum bedeutet für uns, verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen, die uns zur Verfügung stehen. Das gilt sowohl für Investitionen, die wir tätigen, als auch für natürliche Ressourcen, die wir verbrauchen – aber allen voran für die Menschen, die hier in der Region leben und arbeiten.

 

DIALOG: Welche Rolle spielt diese regionale Verwurzelung in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit für Sie?

BH: Die Verbindung zum Ort und zur Region bestimmt unser Handeln in vielerlei Hinsicht. Für uns haben der Erhalt und die Weiterentwicklung des Standortes stets oberste Priorität. Wir verstehen uns als Teil der Gemeinde, bringen uns aktiv ein – sei es im Sportverein oder bei der Feuerwehr – und wollen den Menschen hier eine dauerhafte, stabile Perspektive bieten. Das unterscheidet uns sicherlich von dem einen oder anderen Großkonzern. Mittlerweile arbeiten hier nahezu 150 Beschäftigte und wir beliefern von hier aus mehr als 35 Länder auf allen Kontinenten der Erde. Gleichzeitig reguliert der Standort auch unser Handeln.

Denn dort, wo das Unternehmen vor 60 Jahren auf freiem Gelände gegründet wurde, grenzen wir heute an ein Landschaftsschutzgebiet und müssen nach Wegen suchen, Wachstum und Naturschutz in Einklang zu bringen. Die Auseinandersetzung mit diesen Rahmenbedingungen und ihrer Wechselwirkung bildet für mich den Kern nachhaltigen Unternehmertums. Und bisher ist uns das, glaube ich, ganz gut gelungen.