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„Eine Chance für den Technologiestandort Deutschland“

Interview mit Dr. Thomas Jüngling, Geschäftsführer, H.C. Starck Surface Technology and Ceramic Powders GmbH

 

DIALOG: Herr Dr. Jüngling, der globale Umsatz mit Produkten und Services im Bereich der Additiven Fertigung bewegte sich – typisch für eine Nischentechnologie – fast drei Jahrzehnte lang konstant auf relativ niedrigem Niveau. Doch seit drei bis vier Jahren hat der Markt unglaublich Fahrt aufgenommen. Worin liegen die Gründe?

TJ: Inzwischen hat die Technologie der Additiven Fertigung einen Stand erreicht, der komplexe Bauteile in hoher Präzision und Wiederholgenauigkeit ermöglicht. Die zusätzlichen Designmöglichkeiten gegenüber der konventionellen Fertigung führen zu technischen Fortschritten und innovativen neuen Lösungen, die potenziell hohe Wettbewerbsvorteile ergeben.

DIALOG: H.C. Starck beschäftigt sich seit Jahrzehnten nicht nur mit der Herstellung von Technologie-Metallen und Metallpulverlösungen, sondern auch von Hochleistungskeramiken und thermischen Spritzpulvern für die Additive Fertigung. In welche Richtung entwickelt sich die Nachfrage nach 3D-Druck-Rohstoffen und mit welchen Trends rechnen Sie in den nächsten Jahren?

TJ: Die Nachfrage konzentriert sich derzeit auf Titanlegierungen, Nickelbasis-Superlegierungen, hochfeste Stähle und Edelstähle sowie eine Reihe von kundenspezifischen Sonderlegierungen auf der Basis hochschmelzender Metalle. In Zukunft könnten auch Hartmetall-Legierungen verstärkt hinzukommen.

DIALOG: Technologien wie die Desktop-Fertigung durch den Endverbraucher sind heute noch in einem eher frühen Stadium. Wie schätzen Sie die Chancen dieser Verfahren ein und wie stark setzen Sie sich damit auseinander?

TJ: Für Bauteile, die entweder in geringer Stückzahl oder an vielen weit auseinander liegenden Orten benötigt werden, sollte dieses Konzept gute Chancen haben. Die Lieferkette zur Versorgung der Anlagenbetreiber mit den benötigten Pulvern ist aus unserer Sicht gut organisierbar und vergleichbar mit der Logistik in anderen Märkten im Bereich des Thermischen Spritzens. Hier haben wir viel Erfahrung, mit der wir marktspezifische Konzepte entwickeln können.

DIALOG: Hat der 3D-Druck das Potenzial, die Grundannahmen der industriellen Fertigung zu verändern?

TJ: Die Additive Fertigung wird die konventionellen Fertigungsverfahren nicht ersetzen können, sondern vielmehr ergänzen und innovative technische Lösungen ermöglichen, die im Hinblick auf Ressourcenschonung und Steigerung der Energieeffizienz große Bedeutung haben können.

DIALOG: Wie beeinflusst das Wachstum des 3D-Druck-Marktes Ihr eigenes Unternehmen? Wo legen Sie die Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung, welche strukturellen Anpassungen sind notwendig?

TJ: Wir bauen in unserem Unternehmen ein marktfokussiertes Sales Team auf, das Ansprechpartner für alle Marktteilnehmer ist, vom Anlagenhersteller über das Servicebüro bis hin zum Anlagenbetreiber bzw. Fertigungsbetrieb. Zur Erprobung neuer Legierungen haben wir eine Versuchsanlage, in der kleine Legierungschargen unter Anwendung der späteren Großserientechnik zielgenau hergestellt und optimiert werden können.

DIALOG: Wie immer bei einer „gehypten“ Technologie gibt es die Gefahr der Überheizung, also der zu hohen Erwartungen. Wo liegen die Wachstumsgrenzen?

TJ: Die Technologie der Additiven Fertigung wird sich mit Sicherheit weiterentwickeln im Hinblick auf Effizienz und auch im Hinblick auf die Designmöglichkeiten. Die Applikation von Funktionskomponenten auf konventionell gefertigte Bauteile und die Integration der Additiven Fertigung in Fertigungslinien ermöglichen ein sehr großes Wachstumspotenzial. Die wirtschaftliche Herstellung maßgeschneiderter qualitativ hochwertiger Pulverrohstoffe wird für ein erfolgreiches Wachstum eine mitentscheidende Rolle spielen.

DIALOG: Viele Rohstoffe, die H.C. Starck produziert und die auch für die beim 3D-Druck eingesetzten Metallpulver benötigt werden, stammen aus politisch schwer berechenbaren Gebieten. Wie geht Ihr Unternehmen mit dem Thema der Versorgungssicherheit um?

TJ: Die Rohstoffbeschaffung von H.C. Starck ruht auf zwei Prinzipien: dem kontinuierlichen Ausbau der Recyclingaktivitäten und einem fairen, ethisch vertretbaren und umweltschonenden Rohstoffeinkauf. Die strengen, weltweit gültigen Einkaufsrichtlinien des Responsible-Supply-Chain-Management (RSCM)-Systems gewährleisten, dass H.C. Starck ausschließlich Rohstoffe von Lieferanten kauft, welche die Anforderungen an Umweltschutz, Arbeitssicherheit und soziale Verantwortung einhalten. Dabei beruft sich das Unternehmen unter anderem auf die Positionen der Electronic Industry Citizenship Coalition (EICC) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Davon weicht H.C. Starck keinen Millimeter ab, auch nicht angesichts von Ressourcenknappheit, Exportquoten und Preisschwankungen

H.C. Starck hat zum wiederholten Male die Zertifizierung für die Verarbeitung von sogenannten konfliktfreien Tantal- und Wolfram-Rohstoffen erhalten. Die entsprechende Überprüfung erfolgte durch unabhängige Auditoren, beauftragt von der Conflict-Free Sourcing Initiative (CFSI), einem Zusammenschluss der Electronic Industry Citizenship Coalition (EICC) und der Global e-Sustainability Initiative (GeSI).

DIALOG: Abschließend eine persönliche Frage: Was fasziniert Sie selbst am meisten am 3D-Druck?

TJ: Die neuen Möglichkeiten, die sich Ingenieuren beim Design technisch innovativer Systeme bieten. Ich denke, hier können wir uns auf viele Lösungen freuen, die mit konventionellen Methoden nicht denkbar und nicht realisierbar wären. Wer hier schnell agiert und gute Ideen hat, kann sich große Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Eine Chance für den Technologiestandort Deutschland.
 

Über H.C. Starck Surface Technology & Ceramic Powders

Die H.C. Starck Surface Technology & Ceramic Powders GmbH bietet eine große Auswahl an thermischen Spritzpulvern und ergänzenden Beschichtungsmaterialien. Mittels Recycling von Overspray-Materialen werden beim thermischen Spritzen Pulver ohne Qualitätsverluste zurückgewonnen. Darüber hinaus verfügt die Division über eines der umfassendsten Produktportfolios an Nichtoxidkeramikpulvern sowie an verdüsten Metallpulvern für ein breites Spektrum von innovativen Technologien.

www.hcstarck.com


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Anna Reitinger

Anna Reitinger

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