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FÜHRUNG NEU GEDACHT
DIE DIGITALISIERUNG HILFT UNS, KREATIVITÄTSPOTENZIALE DER MITARBEITENDEN ABZURUFEN
Verliert die klassische Überwachungs- und Steuerungsfunktion der Führung an Bedeutung und wie äußert sich dies im Shopfloor Management?
Die Führungsrolle verändert sich stark. Wir sehen derzeit eine Transformation weg von der klassischen Kontrolle hin zu einem Coaching- Prozess. Die Führungskraft begleitet proaktiv den Verbesserungsprozess. Auch deshalb gewinnt die Kommunikation im Shopfloor Management immer mehr an Bedeutung. Die Führungskraft kontrolliert nicht mehr, sondern leitet die Mitarbeitenden im Verbesserungsprozess an und unterstützt. Daher ist es nicht nur eine Veränderung, sondern vielmehr eine Verbesserung. Bisher hat die Führungskraft viel zu viel Zeit damit verbracht, die für den Verbesserungsprozess benötigten Daten zusammenzutragen. Für eine erste Analyse sind die Informationen durch die Digitalisierung einfacher zugänglich und deutlich schneller verfügbar. Die ersparte Zeit kann nun für den persönlichen Dialog mit den Mitarbeitenden und für deren Begleitung während des Verbesserungsprozesses genutzt werden. Nicht zuletzt erhöhen wir damit unsere Wettbewerbsfähigkeit, denn die Hauptaufgabe unserer Führungskräfte ist es, die Kreativitätspotenziale der Mitarbeitenden abzurufen. Das erreichen wir nur über eine verstärkte Kommunikation, in keinem Fall über eine reduzierte.
Inwiefern verändern sich die Anforderungen an die Mitarbeitenden im Shopfloor Management?
Die Mitarbeitenden sind nun stärker gefordert, sich und ihre Ideen einzubringen. Hierbei spreche ich von einem positiven Effekt, ausgelöst durch die Qualifikationsprofile unserer Mitarbeitenden, z.B. die duale Ausbildung. Durch interessantere Stellenprofile bieten sich bei den Facharbeiterinnen und Facharbeitern ganz neue Möglichkeiten, da eine proaktive Mitarbeit erwartetet wird. Das erhöht die Wertigkeit der Mitarbeitenden, die quasi unsere erste Verteidigungslinie an der Anlage darstellen.
Inwiefern verändert das die klassische pyramidale Organisation?
Das klassische Arbeiten wird weiterhin in einer hierarchischen Struktur sein, denn hier geht es darum, Geschäftsstandards anzubinden. Bei der Veränderung des Geschäftsstandards und der Optimierung von Geschäftsprozessen müssen wir hingegen anders vorgehen. Bisher behindern uns teilweise Abteilungsgrenzen, um entsprechende Effekte zu generieren. Deshalb müssen sich die Arbeitsmodelle verändern. Wir arbeiten stärker funktionsübergreifend in agilen Teams zusammen. Der Fokus liegt weniger auf Kontrolle, sondern vielmehr auf dem darunter liegenden Verbesserungsprozess. Vor allem wenn man Geschäftsprozesse verändern möchte, ist das nur mit funktionsübergreifender Zusammenarbeit umsetzbar.
Verändert sich die Führungsrolle vor dem Hintergrund einer engeren Zusammenarbeit zwischen OEMs und Zulieferern?
Das ist eine gute Frage. Zuerst muss man sich die Frage nach dem Zusammenarbeitsmodell von OEM und Zulieferer stellen: Ist dieses eher partnerschaftlich oder eher durch Preise geprägt? Einige unserer Kunden fokussieren noch stark auf den Kostenaspekt, insbesondere bei Commodity-Geschäften. Insgesamt muss sich sowohl die Zusammenarbeit der Tier-2- und Tier-3-Lieferanten als auch die eines Tier-1-Lieferanten mit einem OEM verändern, denn es ließen sich noch große Potenziale heben. Deshalb verfolgen wir intensiv das Ziel, mit allen unseren Partnern in der Wertschöpfungskette eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu pflegen.
Zählt die Schaffung dieser Vertrauensbasis zu den wesentlichen Herausforderungen für die Führung?
Durch die Digitalisierung erkennen wir leicht eine Vielzahl an Problemen, die in der klassischen hierarchischen Meldekette nicht ankommen würde. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Wir sehen es so, dass jedes Problem eine Chance zur Verbesserung ist. Allerdings neigt der Mensch bei einer Zunahme an Problemen gelegentlich zur Überforderung. Hier muss der Organisation zugetraut werden, die meisten Probleme selbstständig, also ohne den hierarchischen Weg, zu lösen.
Wichtig ist zudem die Aufgabenpriorisierung: Man darf nicht davon ausgehen, dass jedes Problem unverzüglich in Form eines Abweichungsmanagements bearbeitet werden kann. Ich glaube, an dieser Stelle ist es wichtig festzuhalten, welche Hierarchiestufe im Unternehmen oder welches Führungslevel für welche Probleme verantwortlich ist. Außerdem gilt es, die Mitarbeitenden noch schneller auf das Thema Problemlösung zu fokussieren. Wettbewerbsveränderungen können wir nur begegnen, indem wir an unserer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Deshalb müssen die Probleme auch gelöst werden.
Dann sehen Sie die Rolle der Führung in den Problemlösungsprozessen und weniger in Kontrollaufgaben und Steuerungsaufgaben?
Das ist die Quintessenz. Wir als Führungskräfte haben nicht den Auftrag, Abweichungen zu erklären, sondern Probleme zu lösen. Dabei müssen wir die Vorteile der Digitalisierung nutzen und den Mitarbeitenden wieder mehr Eigenverantwortung überlassen. Es muss klar definiert sein, wer für welche Art von Kennzahl im Unternehmen verantwortlich ist, damit die Ziele erreicht werden.