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Going Smart
Meilensteine auf dem Weg zu einer intelligenten Fabrik
Die Fabrik steht, bereits seit der Entstehung der ersten Manufakturen im siebzehnten Jahrhundert, traditionell im Zentrum der betriebswirtschaftlichen und technischen Optimierungs- und Innovationsansätze. Im Kontext der Digitalisierung richtet sich der Scheinwerfer nun erneut auf die Werkshalle. Die Steigerung der Effektivität und Effizienz, die der Einsatz von IoT- bzw. Industrie 4.0-Technologien verspricht, setzt unmittelbar an den Prozessen und der Organisation der Fabrik – der Smart Factory – an. Der Weg zur Steigerung von Qualität und Output bei geringerem Ressourceneinsatz führt dabei über ein umfassendes Konzept der operativen Exzellenz. Hier haben sich in den letzten Jahren sechs Elemente als besonders vielversprechend herauskristallisiert.
Kerntechnologien der Smart Factory
1. Ein zentraler Hebel zur Verwirklichung der intelligenten Fabrik ist ein umfassender Einsatz von Assistenzsystemen. Diese sollen, in Erweiterung von Lean-Ansätzen, die Mitarbeiter sowohl physisch als auch zeitlich entlasten und die Konzentration auf wertschöpfende Kernaufgaben ermöglichen. Auf physischer Ebene sind die Assistenzsysteme in der Fabrik dank autonomer Transportsysteme oder Robotik-Lösungen bereits vielfach verwirklicht. Enorme Potenziale bieten aber vor allem digitale Technologien. So lässt sich etwa der Status einer Maschine über auf einem Tablet-PC laufende Apps schnell und einfach ablesen. Die Auslastung, kritische Verschleißwerte, oder weiterführende Statistiken sind dank der Einbindung aller beteiligten Elemente in eine „Factory Cloud“ sofort verfügbar. Neue Möglichkeiten bieten sich dabei durch den Einsatz von Augmented Reality-Technologien, die dank zunehmend günstiger, komfortabler und leistungsfähiger Endgeräte wie Smart Glass immer attraktiver werden. So können etwa Arbeitsanweisungen oder wichtige Kennzahlen direkt verfügbar gemacht werden.
2. Ein weiteres wichtiges Merkmal der Smart Factory ist ihre dezentrale Organisation. Die Auflösung der pyramidalen Struktur zugunsten eines am Wertschöpfungsprozess ausgerichteten Netzwerks reduziert den Steuerungsaufwand und erlaubt eine weitgehend autonome Koordination der einzelnen Netzwerkelemente und produktionsrelevanten Software-Lösungen wie ERP, MES oder PPS. Die Basis dafür bilden der Einsatz von M2M-, RFID- oder Smart OTS-Technologien sowie die Ausstattung der Maschinen, Werkstücke und Produktionsräume mit Sensorik.
„Der Weg zur Steigerung von Qualität und Output bei geringerem Ressourceneinsatz führt über ein umfassendes Konzept der operativen Exzellenz.“
3. Um Verschwendung und Produktionsfehler zu vermeiden, gewinnen die Echtzeitkontrolle von Produktion und Qualität (Realtime Production Control und Realtime Quality Control) zunehmend an Bedeutung. Durch den Einsatz von sensorischen Lösungen werden zentrale Prozessparameter in Echtzeit erfasst und mit Musterwerten verglichen. Dies ermöglicht ein frühzeitiges Ergreifen von Gegenmaßnahmen, was z.B. zur signifikanten Reduktion von Ausschuss führt. So kann beispielsweise durch Auswertung von Sensor-Signalen im Schweißprozess eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen schlechten Schweißpunkt sofort erkannt und der Schweißvorgang innerhalb von Millisekunden korrigiert werden. Auf dem gleichen Prinzip basiert auch die „smarte“ Qualitätskontrolle. Hier werden anhand definierter kritischer Werte permanent Messungen vorgenommen, so dass sich Fehler sehr früh identifizieren und korrigieren lassen, was zu einer deutlichen Senkung der Qualitätskosten führt.
4. Zu den bekanntesten Szenarien, die im Kontext der Smart Factory diskutiert werden, gehört Predictive Maintenance. Dieser Ansatz, der statistische Prognosemodelle mit Sensor-Technologien kombiniert, wird gerne als Beispiel dafür verwendet, wie sich neue Geschäftsmodelle entwickeln oder zumindest weiterentwickeln lassen. Die Kombination aus Produkt und Service ist aber vor allem innerhalb der Fabrik von großer Bedeutung. Zum einen lassen sich Kosten dramatisch senken, weil die Wartung genau dann stattfindet, wenn sie notwendig ist und sich Produktionsstopps durch Totalausfälle vermeiden lassen. Die Analyse der Betriebsdaten und Belastungsszenarien erlaubt zum andern auch eine sehr genaue Allokation der Produktionsressourcen sowie die Vermeidung von Leerlauf oder Überlastung. Gleichzeitig sind Predictive Maintenance-Ansätze mit Condition Monitoring-Systemen zur permanenten Überwachung besonders kritischer Elemente kombinierbar, was eine hohe Verfügbarkeit der Maschinen bei deutlich geringeren Kosten ermöglicht.
5. Die gemeinsame Basis für die beschriebenen Technologien bildet eine Strategie zum Umgang mit Big Data. Erst wenn es einen integrierten Ansatz gibt, wie die immense Menge an Daten, die in einer Smart Factory entsteht, effizient und sicher geclustert, analysiert und in Entscheidungsprozesse implementiert werden kann, lassen sich die Vorteile der digitalen Technologien nachhaltig nutzen.
6. Die Organisation und die Prozesse in einer Smart Factory unterscheiden sich sehr stark von dem klassischen Bild der Fabrik. Dabei geht es nicht nur um die Auflösung gelernter Abläufe, sondern auch um die Kompromittierung etablierter sozialer Gefüge und sicher geglaubter Kompetenzen. Ein konsequentes Shopfloor Management und eine intensive Auseinandersetzung mit den neu eingeführten Prozessen und Technologien sind deshalb erfolgskritisch, wenn es darum geht, alte Routinen aufzubrechen und neue Arbeitsweisen und Nutzungsszenarien einzuüben.
Start smart
Heute gibt es gerade in den westlichen Hochlohnländern keine Branche, die nicht zumindest einzelne Industrie 4.0-Elemente in ihren Fabriken gewinnbringend einsetzen könnte – und müsste, wenn der globale Wettbewerb langfristig gemeistert werden soll. Dennoch ist der Implementierungsgrad, der sich in der Industrielandschaft beobachten lässt, erstaunlich gering. Ein wichtiger Grund dafür ist – polemisch gesprochen – die Unfähigkeit, den "Elefanten in Scheiben zu schneiden". Sehr häufig ist die Verwirklichung der Smart Factory davon belastet, dass man sich auf Taxonomien, umfassende Sicherheitskonzepte und hochkomplexe Visionen konzentriert. Über diesen Prozess blendet man die Möglichkeit des kleinen Einstiegs in die Digitalisierung meistens aus. Die hohe Dynamik des Themas, die enorm schnelle technologische Entwicklung und die fehlenden Standards erfordern aber eher lokale Initiativen, die Bereitschaft zu einem Trial & Error-Prinzip, die Freude am kreativen Experimentieren. Als Ausrichter des „Industrie 4.0 Awards“ konnten wir in den letzten Jahren beobachten, dass die meisten erfolgreichen Projekte ohne Fünfjahrespläne auskamen. Das zeigt: Ein Smart Start ist der beste Weg, um die Smart Factory Realität werden zu lassen.
„Die Verwirklichung der Smart Factory wird häufig davon belastet, dass man sich auf Taxonomien, umfassende Sicherheitskonzepte und hochkomplexe Visionen konzentriert und die Möglichkeit des kleinen Einstiegs in die Digitalisierung ausblendet.“