Future Factories für eine nachhaltige Produktion

Digitalisierung und Nachhaltigkeitsinitiativen verbinden

Von Monika Eglseer, ROI-EFESO

Der durch die Industrie verursachte Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren um 36 Prozent reduziert. Im gleichen Zeitraum hat sich das Bruttoinlandsprodukt mehr als verdoppelt – eine beachtliche Leistung. Trotzdem steht die Industrie heute immer noch für gut 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland. Angesichts des ambitionierten Ziels der Weltgemeinschaft, die globale Erwärmung auf zwei Grad oder weniger gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung zu beschränken, müssen industrielle Emissionen bis 2030 um weitere 36 Prozent reduziert werden. Es gilt jetzt, alle verfügbaren Hebel zu nutzen.

Lösungen in der Fabrik von heute

Neben den CO2-Zielen treiben steigende Energiepreise die Unternehmen, ihren Energiebedarf zu senken und die Energieversorgung vom stark schwankenden Anbietermarkt zu entkoppeln. Isolierung von Gebäuden und Maschinen, Wärmerückgewinnung aus Produktionsprozessen und automatisch gesteuerte LED-Beleuchtung sind nur einige der Lösungen, die bereits erfolgreich umgesetzt wurden.

Mit einer eigenen Stromproduktion über Photovoltaik, Biomasse, Brennstoffzellen oder Kraftwerken steigt die Unabhängigkeit von externen Stromanbietern – in Kombination mit Energiespeichern können Bedarfsschwankungen gepuffert werden. Energieintensive Industrieunternehmen investieren in die Weiterentwicklung neuer Technologien wie etwa der Energiegewinnung aus grünem Wasserstoff. Doch die Tatsache, dass sich der Energiebedarf der deutschen Industrie kaum ändert und wir hinter den Emissionszielen zurückbleiben, zeigt, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen.

Was ist möglich in der Fabrik der Zukunft?

Die „Factory of the Future” setzt auf die Digitalisierung industrieller Prozesse, um deren Komplexität zu beherrschen und die Effizienz zu steigern. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung auch die Chance, die Nachhaltigkeitsbilanz einer Fabrik signifikant zu verbessern – und zwar im Hinblick auf ökologische, soziale wie auch Governance-Aspekte.

Umwelt

In der Produktion liegen Potenziale, die mit den klassischen Lean-Methoden nicht zu heben sind. Sensoren und KI ermöglichen eine intelligente Produktionsplanung und -steuerung, um zum Beispiel Energiebedarfs-Peaks zu vermeiden und auf Zeiten mit verfügbarer „grüner“ Energie auszuweichen. In Verbindung mit dem gezielten Abschalten nicht benötigter Anlagen konnten hier in der Praxis Energieeinsparungen von 20 Prozent erzielt werden. Anlageneffizienz (Overall Equipment Effectiveness / OEE) hat auf den ersten Blick nichts mit Emissionsreduzierung zu tun. Doch ungeplante Stillstände, das Hochfahren von Anlagen und eine schlechte Produktqualität führen zu erhöhtem Energiebedarf und Ausschuss und können systematisch ermittelt und eliminiert werden.

"In der Produktion liegen Potenziale, die mit den klassischen Lean-Methoden nicht zu heben sind."

Mit leistungsfähigen Sensoren und Advanced-Analytics-Methoden lassen sich Zusammenhänge zwischen Produktionsparametern und OEE identifizieren, die mit konventionellen Analysen nicht sichtbar werden. Digitale Zwillinge für Prozesse, Anlagen und Gebäude ermöglichen eine bisher nicht da gewesene Optimierung von Qualität und Performance. In der laufenden Fertigung unterstützen sie bei der Reduzierung von Verlusten von Energie, Rohmaterial und Wasser, aber auch bei der Anlagenverfügbarkeit.

Der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft erhöht die Komplexität der Prozesse weit über die Produktion hinaus. Der „Crade to Cradle“- Ansatz zielt auf die vollständige Rückführung von Materialien in den Produktionskreislauf in völlig neuen Prozessen für Steuerung, Demontage und Wiederaufbereitung. Die dafür erforderliche Transparenz wird durch Technologien wie MES, SAP S/4HANA, Product Track and Trace, Edge/Cloud und dem unternehmensübergreifenden Datenaustausch erst möglich. Nachhaltigkeit muss vom Büro bis zum Shop Floor sichtbar sein. Kennzahlen zur Erfolgsmessung werden automatisiert erhoben und visualisiert.

Sozial

Die physische wie auch die mentale Gesundheit der Beschäftigten sind wichtige Ziele eines nachhaltigen Unternehmens. Digitalisierung ermöglicht die Verbesserung und Individualisierung der Arbeitsumgebung, zum Beispiel durch den Einsatz von Trainings- und Assistenzsystemen oder die automatische Konfiguration des Arbeitsplatzes nach User-Profilen. Moderne Kommunikationstechnologien und flexible Arbeitszeitmodelle bieten die Möglichkeit, Arbeit individueller zu gestalten und Berufs- und Privat- leben besser in Einklang zu bringen.

"Die Verantwortung des Unternehmens für den Menschen geht über die Arbeitsumgebung und -zeit hinaus."

Die Verantwortung des Unternehmens für den Menschen geht über die Arbeitsumgebung und -zeit hinaus. Hier ist etwa die Initiierung von Sportprogrammen, mentalem Coaching, gemeinsamen Freizeitaktivitäten oder individuellem Nachhaltigkeitsengagement der Beschäftigten als Beispiel zu nennen. Die Förderung des Wohlbefindens ist Teil der Unternehmenskultur.

Governance

Die Supply Chain rückt enger zusammen, die fabrikinterne Sicht auf „Gate to Gate“ reicht nicht aus, um die regulativen Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen. Der produktspezifische CO2-Fußabdruck und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz stellen viele Unternehmen gerade vor eine große Herausforderung. Die Fabrik ist dabei Teil des Netzwerks, ihre Prozesse werden über den digitalen Supply-Chain- Zwilling mit denen anderer Partner harmonisiert und über Cockpits in Echtzeit gesteuert. Teile des Nachhaltigkeitsreportings sind damit automatisiert erzeugbar, wo heute noch mühsam manuell Informationen aus mehreren Systemen übertragen werden müssen.

Erfolgsfaktoren

Die Digitalisierungsroadmap für die Fabrik muss eng mit der Nachhaltigkeitsstrategie verknüpft werden, um alle Anforderungen daraus zu erfüllen. Nur beim Produktionsprozess anzusetzen wäre zu kurz gedacht; so müssen zum Beispiel Investitionsentscheidungen nach Nachhaltigkeitskriterien getroffen und in den Business Case von Projekten und Anlagen eingerechnet werden. Ziele und Maßnahmen müssen Top-down formuliert und systematisch und bereichsübergreifend koordiniert und nachgehalten werden. Nur so können sie ihre langfristige und volle Wirkung entfalten.

Erstveröffentlichung dieses Beitrages in: Lünendonk Magazin, Ausgabe 10/2023, „ESG: Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg“.

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Monika Eglseer

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