Der Sprung ins Ungewisse

Anders als im konventionellen Hardwaregeschäft erfolgt der Aufbau digitaler Produkte und Services i.d.R. nicht durch Weiterentwicklung und Optimierung bereits vorhandener Technologien, sondern auf Basis neuer, meist noch nicht entwickelter bzw. Noch nicht für die eigene Branche nutzbar gemachter Technologien.

Internetplattformen als Vorreiter

Diese „undefinierten Technologie-Impulse“ sind für Maschinen- und Anlagenbauer zum einen in der Informationstechnologie zu finden. Rückblickend brachte die IT-Innovationswelle der letzten zehn Jahre vor allem erfolgreiches Geschäft mit digitalen Plattformen und Apps hervor. Die Übertragung dieser Produktformen und der dahinterliegenden Geschäftsmodelle bietet Potenzial für neue Services und Geschäftsmodelle, etwa im Rahmen von Apps wie dem Digital Operator Support. Inwieweit sich Plattform-Geschäftsmodelle von Anlagen- und Maschinenbauern durchsetzen, bleibt abzuwarten.

Nächste Innovationswelle: Deep Technology

Zum anderen wenden sich heute die Technologieinvestoren neuen radikalen Innovationen, sogenannter Deep Technology zu. Dabei handelt es sich um disruptive Lösungen, basierend auf einzigartigen, geschützten oder schwer reproduzierbaren wissenschaftlichen oder technologischen Fortschritten. Der Unternehmenswert entsprechender Anbieter wird dabei primär durch die Entwicklung neuer technischer Lösungen erwirtschaftet. Bereits 2017 überstiegen in Europa die Innovationsinvestitionen in Deep Technology die in vertikale Plattformen (B2C).

Unterschiedliche technologische Reifegrade

Für den Maschinen- und Anlagenbau ist Deep Technology als Basis für neue digitale Produkte deshalb interessant, da sie weniger leicht imitierbar ist und im Gegensatz zu App- oder plattformbasierten Geschäftsmodellen i.d.R. eine geringere Nutzerzahl überwinden muss. Zudem befinden sich die meisten Technologieimpulse noch in einer Frühphase ihres Wachstums, wodurch es auch für kleinere Anbieter möglich ist, sich durch schnelle Etablierung ihrer Lösung im jeweiligen Segment relevante Marktanteile zu sichern. Der Preis dafür ist ein erhöhtes Risiko beim Eintritt in neue Märkte. Der erste Schritt beim Aufbau eines Deep-Tech-basierten Produkt- oder Serviceangebots besteht somit in der Systematisierung und Analyse der möglichen Technologieimpulse zur Einschätzung ihres jeweiligen kunden- und anwendungsspezifischen Potenzials. Die folgende Grafik verortet beispielhaft ausgewählte Technologieimpulse:

Augmented Reality

Unter erweiterter Realität versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Die so erzeugten Informationen können grundsätzlich alle menschlichen Sinnesmodalitäten ansprechen, sind aber i.d.R. die visuelle und die auditive Darstellung, also die Ergänzung von Bildern oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung/Überlagerung. AR wird bereits erfolgreich in der unterstützten Maschinenreparatur und -wartung eingesetzt.

Machine Learning

Maschinelles Lernen beschreibt die Generierung von Wissen aus Erfahrung: Ein künstliches System lernt dabei aus Beispielen und kann diese nach Abschluss der Lernphase verallgemeinern. D.h., es „erkennt“ Muster und Gesetzmäßigkeiten in den Lerndaten und kann auf dieser Basis Prognosen erstellen, Empfehlungen ableiten sowie unbekannte Daten beurteilen (Lerntransfer). ML wird bereits heute erfolgreich in der Predictive und Prescriptive Maintenance eingesetzt.

Cognitive Computing

Kognitive Systeme beschreiben einen Ansatz der Computertechnologie, der versucht, Systeme autonom, wie ein menschliches Gehirn, agieren zu lassen. Bei dieser Form der künstlichen Intelligenz wird das Computer-System nicht im Vorfeld für alle eventuellen Problemlösungen programmiert, sondern lernt sukzessive selbstständig dazu. Damit lassen sich komplexe Situationen, geprägt von Unklarheit und Unsicherheit, meistern. Systeme wägen dabei das Konfliktpotenzial ab und schlagen die jeweils beste Lösung vor. Sie machen Kontext berechenbar. CC-Systeme werden erfolgreich in der Robotik eingesetzt und ermöglichen dort eine autonome Anpassung von Maschinen.

Deep Learning

Deep Learning ist eine Form des Machine Learning, die ein breiteres Spektrum von Datenressourcen verarbeiten kann. Es erfordert ein geringeres Maß Datenvorverarbeitung und kann oft genauere Ergebnisse liefern als traditionelle ML-Ansätze. DL bedient sich neuronaler Netze, die aus miteinander verbundenen Software-basierten Kalkulatoren, sog. Neuronen, bestehen. Ein neuronales Netz kann dabei große Mengen an Eingabedaten aufnehmen, diese auf den multiplen, miteinander verbundenen Netzwerkschichten verarbeiten und dadurch zunehmend komplexe Merkmale der verarbeiteten Daten lernen. Dabei nimmt es eine Festlegung über die Daten vor und lernt, ob diese richtig ist. Diese Erkenntnis kann anschließend auf neue Daten angewandt werden, etwa im Rahmen der Bildklassifikation. DL wird erfolgreich in der Qualitätskontrolle und in der Predictive Maintenance eingesetzt.

Innovative Mikrosystemtechnik

Um die zunehmende technische Komplexität zu beherrschen, geht die Entwicklung in der Mikrosystemtechnik hin zu kognitiven Sensoren, die eine Entlastung des Operators und die Einführung von Assistenzfunktionen auf Sensorbasis ermöglichen. Dabei zeichnen sich verschiedene Trends ab, wie etwa die Funktionsintegration und das vorausschauende autonome Handeln von Smart Sensors, die physikalische und chemische Situationserkennung, die Sensor-Kooperation als auch in globalen Netzen die Sensor-Selbstüberwachung und Selbst-Rekonfiguration sowie die Selbstadaption.