INDUSTRIE 4.0 MUSS INTUITIVE UNTERSTÜTZUNG BIETEN

Gespräch zwischen Andreas Jenke und Hans-Georg Scheibe über die Voraussetzungen erfolgreicher Industrie 4.0-Projekte

DIALOG: Herr Jenke, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Industrie 4.0-Awards! Ihre neue Pilotmontagelinie liefert beeindruckende Ergebnisse im Hinblick auf Effizienz und Qualität der Produktion, Flexibilität im Personaleinsatz und sogar eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Was braucht es, um ein solches Projekt erfolgreich zu machen? Welche Widerstände und Schwierigkeiten mussten überwunden werden?
AJ: Vielen Dank für die Glückwünsche. Wir sind sehr stolz auf den Gewinn des Industrie 4.0-Awards. Die Umsetzung von Industrie 4.0 führt zu einer deutlich engeren Vernetzung im Gesamtwertstrom der Produktion, aber auch zu einer engeren Verbindung mit Engineering-Prozessen und After-Sales- Services. Innerhalb dieses Projektes haben wir uns auf den operativen Ablauf im Wertstrom des Produktes konzentriert. 
Um solch ein Projekt erfolgreich realisieren zu können, ist eine enge interdisziplinare Zusammenarbeit zwischen der ausführenden Fertigung, der Auftragsund Fertigungsplanung, der Materiallogistik sowie der Werks-IT zusammen mit dem Anlagenbauer notwendig. Tiefes Know-how der Prozesse in den jeweiligen Bereichen, kombiniert mit neuen Impulsen aus Industrie 4.0 – das bildet die Grundlage einer kreativen, zukunftsorientierten Projektarbeit. 
Die Herausforderung bestand darin, innerhalb der kurzen Projektlaufzeit diese interdisziplinäre Zusammenarbeit im Projekt sicherzustellen, angesichts des parallel auf vollen Touren laufenden operativen Geschäfts. Dabei galt es, im Projektverlauf realisierbare, aber auch innovative, zukunftsweisende Themen aufzunehmen und auch tatsächlich umzusetzen.

DIALOG: Herr Scheibe, was macht aus Ihrer Sicht das prämierte Projekt von Bosch Rexroth so besonders?
H-GS: Ich kann das, was Herr Jenke gesagt hat, nur unterstreichen. Hervorheben möchte ich vor allem den ganzheitlichen und durchgängig vernetzten Ansatz, der unterschiedliche Industrie 4.0-Aspekte integriert und auf einer klaren Zukunfts-Roadmap basiert. Gleichzeitig war auch der sehr hohe Grad der Digitalisierung und die konsequente Nutzung der Möglichkeiten, die sich daraus ergeben – insbesondere in der Montage-, Mitarbeiter- und Produktionsplanung sowie in der prozess- und Produktionssteuerung. Auch die intelligente Nutzung der im Gesamtsystem entstehenden Daten ist ein wichtiger Faktor.

DIALOG: Herr Jenke, ein zentrales Element Ihrer Industrie 4.0-Implementierung ist das sogenannte Active- Cockpit. Welche Rolle spielt es innerhalb der Gesamtlösung?
AJ: Das ActiveCockpit ist der beste Beweis dafür, wie durch die Umsetzung von Industrie 4.0-Prinzipen Fertigungsinformationen in konzentrierter und intuitiver Art und Weise dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden können, die bereits in digitalisierter Form verfügbar sind. Wichtig ist beim ActiveCockpit die Möglichkeit der Interoperation des Nutzers und die Offenheit, um weitere Applikationen in die Kommunikationsplattform für den Shop Flor zu integrieren. Der Nutzen für den Anwender ist überzeugend: keine aufwändige, manuelle Aktualisierung, wie sie an heutigen Boards notwendig ist. Intuitive Bedienung und Präsentation führen zu klarem Verständnis der Informationen bei den Verantwortlichen. Eindeutige, schnelle Ergebnissicherung und Maßnahmendefinition beschleunigt den Problemlösungsprozess. Somit ist das ActiveCockpit ein wichtiger Mosaikstein in der gesamten Industrie 4.0-Landkarte.

H-GS: Wichtig ist noch ein anderer Faktor: Gerade im Mittelstand wird die Auseinandersetzung mit Industrie 4.0 häufig ökonomisch motiviert. Das ist nicht falsch, aber wenn eine übergeordnete Vision – wie etwa Bosch Rexroth sie hatte – fehlt, ist es kaum möglich, alle Potenziale zu heben und zentrale Handlungsfelder systematisch zu bearbeiten. Bei der Vernetzung des gesamten Wertstroms, in der Nutzbarmachung der entstehenden Daten und der Generierung zukunftsorientierter Datenanalysen oder auch bei der laufenden Anpassung an sich ändernde Job- und Ausbildungsprofile. Anders formuliert muss das Verständnis dafür erst noch wachsen, dass Industrie 4.0 mehr ist, als ein weiterer Hebel zur Kostenreduktion und Effizienzsteigerung. DIALOG: Wie wurden die Industrie 4.0-Lösungen sowie die dahinter liegende Strategie von den Mitarbeitern angenommen? AJ: Grundsätzlich wurden die Industrie 4.0-Lösungen sehr positiv aufgenommen, sowohl bei den Mitarbeitern der fertigungsbegleitenden Bereiche als auch bei den Mitarbeitern in der Fertigung selber. Natürlich haben wir im Verlaufe dieses Projektes auch dazugelernt. Eine wesentliche Erkenntnis ist zum Beispiel, dass alle Beteiligten noch früher in den Entwicklungsprozess solch einer Anlage einbezogen werden sollten. Wichtig für die hohe Akzeptanz sind aus meiner Sicht vor allem zwei Dinge: Die Lösungen müssen die Mitarbeiter bei den zunehmend komplexen Tätigkeiten auf eine intuitive Art unterstützen. Zum anderen ist das Bewusstsein der Mitarbeiter dafür entscheidend, dass nur durch diese Lösungen die sich ändernden Marktanforderungen gemeistert werden können.

DIALOG: Herr Jenke, nach diesem erfolgreichen Projekt: wie sieht Ihre Industrie 4.0-Roadmap für die nächsten Jahre aus?
AJ: Es sind bereits weiterführende Projekte innerhalb der Bosch Gruppe gestartet, welche die weitere Umsetzung von Industrie 4.0 entlang des gesamten Wertstromes zum Ziel haben. Deren Umsetzung wird die Effizienz der wertschöpfenden Bereiche weiter steigern. Als Industrieausrüster arbeiten wir intensiv daran, Produkte am Markt anzubieten, die fit für die neuen Anforderungen von Industrie 4.0 sind. Das Active- Cockpit ist ein Beispiel dafür. Darüber hinaus gibt es bereits eine Vielzahl weiterer Produkte von Bosch Rexroth. 
In den nächsten Jahren möchten wir aktiv diesen Veränderungsprozess mitgestalten, sowohl aus der Anwender- als auch aus der Anbieterposition heraus. Dafür sind wir innerhalb der Bosch Gruppe hervorragend aufgestellt.