Vom Prototyper zum Fabrikator

Orientierungspunkte für die Nutzung von 3D-Druck im Unternehmen

Bereits Anfang der 1990er Jahre stellte BMW mittels 3D-Druck erste Prototypenteile für Konzeptfahrzeuge her. Denn die Technologie erlaubte eine wesentlich raschere und billigere Visualisierung von Ideen als mit Sperrholz-, Guss- oder Styropormodellen. Diese „Prototyper“-Funktion der Technologie hat sich heute weit über die Grenzen von F&E hinweg entwickelt: Konventionelle Produktionstechnologien wie Fräsen, Gießen, Bohren oder Drehen lassen sich durch den 3D-Druck ersetzen.

„3D-Druck-Technologien eröffnen Unternehmen die Chance, als ‚Fabrikator‘ ihre Fertigungsstrukturen offener und flexibler zu gestalten“, sagt Hans-Georg Scheibe, Vorstand der ROI Management Consulting AG. „Skaleneffekte gehören dabei der Vergangenheit an: Der 3D-Druck überholt die konventionelle Fertigungslogik, nach der sich ein Produkt erst bei hohen Stückzahlen rentiert. Zudem reduziert sich der Material- und Energieverbrauch erheblich, da es im Unterschied zum Bohr- oder Fräsvorgang keine Spanabfälle gibt.“ Bei der Entwicklung von 3D-Druck-Musterbaulösungen sollten sich Unternehmen am Kundenbedarf orientieren und die folgenden Schritte berücksichtigen:

  • Erstellung eines Proof of Concept (PoC) zu den gewünschten Teilen mit allen zentralen Faktoren wie Größe, Eigenschaften, Oberfläche, Form, Toleranzen. Dies sollte in einem strikt einzuhaltenden Zeitrahmen von max. fünf Wochen geschehen.
  • PoC- und Implementierungsarbeiten in kleine Experimente mit explizierter Fehlertoleranz unterteilen.
  • Zielgerichtet die benötigten Fähigkeiten in einem crossfunktionalen Kernteam mit wenig Hierarchieebenen aufbauen.

Das Kernteam sollte dabei vom Beginn des ersten Projektes an alle notwendigen Fähigkeiten bündeln, unter Einbezug externer Dienstleister. Besonders wichtige Kompetenzen sind: Expertise in der Konstruktion für digitales direktes Fertigen, zur Maschinenbedienung bei Eigenfertigung, Materialexpertise, Supply-Chain- Expertise, Qualitätsmanagement, Produktmanagement und Trainingsfähigkeiten für die direkte digitale Fertigung. Mit der Anzahl der Projekte und dem ansteigenden Anteil der Additiven Fertigung lassen sich dann extern zugekaufte Fähigkeiten Schritt für Schritt durch interne ersetzen.

„Wie schnell und gut die Anwendung von 3D-Druck funktioniert, hängt natürlich auch vom Reifegrad der Technologie ab, die bereits im Unternehmen vorhanden ist“, sagt Anselm Magel, Experte für 3D-Druck bei der ROI Management Consulting AG. „Bei geringer Erfahrung hilft es, im Kernteam zuerst ein paar grundsätzliche Elemente einer digitalisierten Produktion und Ansatzpunkte für die Additive Fertigung festzuhalten. Daran zeigt sich dann auch, was mit dem Kunden rasch realisierbar ist – oder erst einmal als Vision zurückgestellt werden muss.“

Checkliste: Neun Kontrollpunkte einer digitalisierten Produktion und Ansatzpunkte für die Additive Fertigung.

  1. Untersuchung aktiver Werkzeuge, Funktionsteile und Baugruppen: Was ist mit welchen Kosten-, Zeit-, Qualitäts- und funktionalen Vorteilen additiv herstellbar?
  2. Designoptimierung und Leichtbaudesign: Wie lassen sich Funktionsteile und Baugruppen verbessern?
  3. Simulationsgetriebene Additive Fertigung: Wie können Werkzeuge, Funktionsteile und Baugruppen ohne empirische Versuche produziert werden?
  4. Designzertifizierung: Wie sind Funktionsteile und Baugruppen vor der Generierung zertifizierbar?
  5. Objekteinkauf: Kann das gewünschte Design am Markt erworben werden?
  6. Lizenzmanagement: Ist eine sichere Objektsuche sowie ein Transfer zum Drucker und anderen Systemen gewährleistet?
  7. LokaleProduktion:Welche Drucker sind an welchen Standorten nötig bzw. verfügbar?
  8. Inline-Prozess- & -Qualitätskontrolle: Wie werden die erzeugten Teile prozessbegleitend getestet?
  9. Automatisierung von Post-Processing: Wodurch gelingt die automatisierte Fertigstellung der Teile mit voller Rückverfolgbarkeit?