LARGE SCALE LEAN

WER NICHT NUR EIN EINZELNES WERK OPTIMIEREN MÖCHTE, SONDERN EINEN GESAMTEN WERKSVERBUND, FÜR DEN WIRD GESCHWINDIGKEIT HÄUFIG ZUM ENTSCHEIDENDEN FAKTOR.

Ein agiles Vorgehen, das auf vorhandene Best Practices zurückgreift, verspricht in dieser Situation nicht nur ein schnelles Ausrollen von Optimierungsmaßnahmen in der Fläche, sondern legt auch die Grundlage für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Dabei wird Vernetzung zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Versucht man ein einzelnes Werk nach den Gestaltungsprinzipien der schlanken Produktion zu optimieren, ist das Vorgehen meist relativ einfach: Nach einer Bestandsaufnahme wird in einem ausgewählten Bereich ein Pilotprojekt gestartet und anschließend im gesamten Werk ausgerollt. Die Erkenntnisse aus dem Projekt können anschließend auf weitere Standorte übertragen werden.

Wenn es aber darum geht, die Prozesse an über 200 Standorten weltweit zu verbessern, wie im Fall eines Stahlkonzerns, für den ROI ein globales OPEX-Programm eingeführt hat, dann stößt dieses lineare Vorgehen an seine Grenzen. Statt Prozessverbesserungen einzeln zu pilotieren und Werk für Werk schrittweise auszurollen, entschied sich das Projektteam daher für ein agiles Vorgehen.

COPY AND PASTE STATT EIGENENTWICKLUNG

Dabei wurde zunächst über schnelle Assessments und standardisierte Diagnose-Tools eine erste Bestandsaufnahme aller globalen Werke vorgenommen. Dieses interne Benchmarking diente zum einen dazu, die Schwerpunkte bzw. die Stoßrichtung der Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Zum anderen half es dabei, vorhandene Best Practices in den einzelnen Werken zu identifizieren. Auf Basis der so gewonnen Erkenntnisse entstand anschließend ein gemeinsames Framework, das allgemeine Qualitätsprinzipien und Methoden enthielt und als strategisch-operativer Rahmen für die verschiedenen Maßnahmen vor Ort diente. Statt dabei jeweils eigene Lösungen zu entwickeln und zu pilotieren, entschied sich das Projektteam dafür, auf vorhandene Best Practices zurückzugreifen, die nach dem Copy and- Paste-Prinzip für die anderen Standorte adaptiert wurden. Dadurch konnten Zeit und Kosten für die Pilotierung und Verprobung drastisch reduziert und schnell flächendeckende Verbesserungen erzielt werden.

ZENTRALE STEUERUNG – LOKALE VERANKERUNG

Dieses parallele Ausrollen von Verbesserungsmaßnahmen über eine Vielzahl von Standorten hinweg erfordert eine starke Zentralinstanz, in der die Roll-out-, Richtlinien- und Weiterentwicklungskompetenz verankert sind. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass Projekte effektiv in die Fläche getragen werden, und stellt sicher, dass die festgelegten Standards im Hinblick auf Kennzahlen und Prozesse vor Ort eingehalten werden.

Gleichzeitig gilt es jedoch, in den lokalen Organisationen vor Ort die Zielsysteme zu verankern und entsprechendes Know-how und Kompetenzen aufzubauen, sodass diese ihr Produktionssystem oder bestimmte Methoden selbstständig weiterentwickeln können. Ein mögliches Modell dafür bietet der Leitwerk-Ansatz: Dabei werden einzelne Werke aus dem globalen Verbund ausgewählt, um bestimmte Methoden, wie etwa TPM oder digitales Shopfloor Management, am Standort weiterzuentwickeln, vor Ort zu verproben und – nachdem diese zum Standard erklärt wurden – über Vernetzung und Sharing in die Fläche zu bringen.

VERNETZUNG ALS ERFOLGSFAKTOR

Ein effektives Best Practice Sharing wird somit zum zentralen Erfolgsfaktor für das globale Skalieren von Lean- bzw. OPEX-Programmen. Um die Vernetzung zwischen den Werken voranzutreiben, sollten daher verschiedene Methoden eingesetzt werden: Über digitale Plattformen, etwa auf SharePoint-Basis, können Prozesse schnell und einfach online abgelegt und nach einer entsprechenden Freigabe durch die Zentralinstanz mit den anderen Werken geteilt werden. Dass hierüber allerdings tatsächlich ein aktiver Austausch stattfindet, erfordert ein hohes Maß an Disziplin bzw. feste Regeln, die wiederum durch eine Zentralinstanz überwacht und exekutiert werden müssen. Ergänzend dazu sollten deshalb physische Vernetzungsevents initiiert werden, bei denen die operativen Führungskräfte regelmäßig zusammenkommen und sich mit unterschiedlichen Methoden aus dem Lean- oder OPEX-Baukasten beschäftigen. Ein Beispiel hierfür ist die von ROI für einen Kunden aus der Automobilindustrie aufgesetzte Methode des „Speed-Dating für Best Practices“: Dabei hat jeder Teilnehmer eine Viertelstunde Zeit, sein Best-Practice-Beispiel vorzustellen. So lassen sich interessante Schnittstellen schnell erkennen und in weiteren Runden vertiefen. Neben diesen temporären Vernetzungsmöglichkeiten kann es darüber hinaus auch sinnvoll sein, Führungskräfte regelmäßig auszutauschen und in anderen Bereichen bzw. Standorten einzusetzen. Eine solche Führungskräfterotation hilft dabei, vorhandene Strukturen aus der Perspektive des Externen anders zu beurteilen, neue Ideen einzubringen und der Wagenburg-Mentalität entgegenzuwirken.