In einer dynamischen und von Brüchen geprägten Umwelt können wir nur dann eine aktive und gestaltende Rolle spielen, wenn wir viele Dinge schnell, effektiv und parallel tun. Das geht nicht auf Autopilot. Vielmehr müssen wir uns in den Strudel der Komplexität begeben. Um Zusammenhänge zu verstehen und Entscheidungen zu treffen, müssen wir intensiv lernen, uns immer wieder an neue Situationen anpassen, aktiv Probleme lösen und kreativ denken. Dafür brauchen wir den Willen zu handeln und die Fähigkeit, unter Stress und Unsicherheit zu bestehen. Vor allem aber brauchen wir immer mehr kognitive Leistungsfähigkeit oder, vereinfacht gesagt, immer mehr Intelligenz.
Dass sich nun nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Unternehmen zunehmend mit menschlicher Intelligenz (Human Intelligence, HI) auseinandersetzen, dafür hat ironischerweise aber nicht der Blick auf unsere im Umbruch begriffene Welt, sondern der rasante Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) gesorgt. Denn zum einen brauchen wir, um die inneren Prozesse, Potenziale und Risiken der KI zu verstehen, ein schärferes Bild der HI und auch der Intelligenz an sich. Zum anderen ist die Output-Qualität der KI stark von der Input-Qualität der HI und von einer klugen und effektiven Gestaltung und Governance der vielfältigen Schnittstellen zwischen Menschen und Maschinen abhängig.
Die menschliche Intelligenz und die Kollaboration innerhalb von HI/ KI-Systemen sind somit entscheidende Engpassfaktoren, die sich weder durch Datenmengen noch durch Rechenkapazität aufwiegen lassen. Anders formuliert: Wir brauchen Ansätze, um Kapazität und Wirkungsgrad sowohl der HI als auch der KI zu maximieren und ihre spezifischen Stärken zu kombinieren, um die kognitive Gesamtleistungsfähigkeit der Organisation zu erhöhen. Und schließlich gibt es auch Parameter jenseits reiner Intelligenz, von denen es abhängt, ob wir zu guten und nachhaltigen Entscheidungen kommen.
Daraus resultiert eine Reihe von Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. In welchem Verhältnis zur Intelligenz stehen Faktoren wie Intuition und Empathie? Was bedeutet es für Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrategien, wenn KI unbegrenzt, dafür aber zu Grenzkosten verfügbar ist? Wie müssen wir das Zusammenspiel biologischer und Künstlicher Intelligenz in industriellen Umgebungen gestalten?
Wie definieren wir Verantwortung und Entscheidung in einer prozess-und automatisierungsgetriebenen Welt? Gibt es prinzipielle Grenzen für die Skalierbarkeit der KI und sollte es dafür ethische Grenzen geben? Wie können wir Organisationen gut auf eine Transformation einstellen, die sich immer weiter beschleunigt? Wie lassen sich Kreativität und nicht-lineares Denken fördern, zu denen nur der Mensch fähig ist?
Zu glauben, dass sich diese Fragen abschließend beantworten lassen, wäre vermessen. Doch zu hoffen, dass man sich ihnen entziehen kann, wäre unverantwortlich. In dieser Ausgabe des DIALOG wollen wir das Phänomen der Intelligenz aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven beleuchten – und haben inspirierende Impulsgeber gefunden.
BEAUTIFUL MINDS
Was Intelligenz im digitalen Zeitalter bedeutet
DIALOG #72 JETZT LESEN›