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Die Automobilindustrie ist mit vielen Veränderungen konfrontiert. Aber nur die Elektromobilität kann sie in ihren Grundfesten erschüttern.


Die Konturen des Wandels sind klar gezeichnet. Vor allem die Elektromobilität, das autonome und teilautonome Fahren, die Integration von Kraftfahrzeugen in das globale Internet der Dinge und das Aufkommen neuer Mobilitätskonzepte werden in den kommenden Jahren zunehmenden Veränderungsdruck auf die bestehenden Geschäftsmodelle der OEMs und der Zulieferer in der Automobilindustrie ausüben. Zweifelsohne durchlebt die Branche den größten Paradigmenwechsel ihrer mehr als hundertjährigen Geschichte.

Obwohl sie öffentlich ähnlich intensiv diskutiert werden, unterscheiden sich die einzelnen Dimensionen des Wandels dramatisch in ihrer Struktur. Einige der absehbaren Veränderungen werden vor allem additiver Natur sein – dabei geht es insbesondere um das Hinzufügen der Intelligenz zu den Fahrzeugen und ihre Einfügung in die globalen Datennetze. Eine spannende Entwicklung, welche die industriellen Zulieferer durchaus bewältigen können: Ein Augmented-Reality-Feature verdrängt nun mal keine Zündspule. Neue Mobilitätskonzepte haben dagegen weitreichende Konsequenzen auf organisatorischer und prozessualer Ebene. Doch hier sind in erster Linie die OEMs gefordert, die ihre Vertriebs- und Branding-Modelle offen und intermodal gestalten müssen. Natürlich können die intensivere Nutzung anderer Verkehrsmittel und Car-Sharing-Modelle die Stückzahlen der produzierten Fahrzeuge reduzieren. Die industriellen Strukturen des Marktes verändern sie aber nicht. Und auch das autonome Fahren scheint noch keine Entwicklung zu sein, die auf Sicht massive Folgen haben wird: Mit zunehmender technologischer Reife werden uns auch die vielfältigen Hürden bewusst, die es hier zu überwinden gilt. Der Volvo-Trendforscher Aric Dromi glaubt sogar, dass wir eher fliegende Autos erleben werden als autonome Bodenfahrzeuge. Denn dieses Konzept erfordere eine vollständige Trennung der Infrastruktur: Bereits ein nichtautonomer Pkw oder ein Fußgänger auf der gleichen Bahn wie der Strom autonomer Fahrzeuge würden das ganze System zusammenbrechen lassen.

Bleibt die Elektromobilität, deren Durchsetzung in den kommenden Jahren mehr als wahrscheinlich erscheint: Der voranschreitende Ausbau der Ladeinfrastruktur, sinkende Preise und ein steigender Wirkungsgrad der Batterien werden dafür sorgen, dass die Stromer immer stärker unsere Straßen beherrschen werden. Beflügelt wird die Entwicklung durch hohe gesellschaftliche Akzeptanz, politische Unterstützung und die Tatsache, dass keine tiefgreifenden habituellen Anpassungen seitens der Konsumenten erforderlich sind. Die Elektromobilität ist deshalb die greifbarste und wahrscheinlichste Veränderung der kommenden Jahre – und für die Zulieferindustrie die mit Abstand gefährlichste. Denn eins ist bereits heute klar: Die Ablösung des Verbrennungsmotors durch einen elektrischen Antrieb, der sehr viel weniger Komponenten, mechanisches Know-how und Arbeitsstunden benötigt, erfordert nicht nur technologische und prozessuale Anpassungen – sie macht einen erheblichen Teil der Geschäftsmodelle in der produzierenden Zulieferindustrie obsolet.

Für viele Zulieferunternehmen, die ihren Erfolg auf eine extrem tiefe und spitze Expertise gründen, könnte dieser Wandel lebensbedrohlich werden, wenn in den kommenden Jahren keine alternativen Erlösquellen und Kompetenzen erarbeitet werden. Dies ist allerdings alles andere als ein triviales Unterfangen. Denn der Umstieg auf die Elektromobilität bietet zwar durchaus Chancen, etwa in Bereichen rund um Elektromotoren, Leistungselektronik, Mechatronik oder Thermo- und Batteriemanagement. Allerdings sind die künftigen Märkte bereits heute heftig umkämpft: Branchenfremde Mitbewerber, globale Top-Zulieferer und OEMs, die in dem Technologiewechsel auch eine Möglichkeit sehen, die Wertschöpfungsketten zu verkürzen, buhlen um die Mobilitätstechnologie des 21. Jahrhunderts. Für viele Unternehmen, gerade in der mittelständischen Industrie, wird sich deshalb bald die Frage stellen, ob sich ihre Kernkompetenzen neu interpretieren und auch außerhalb der Automobilindustrie erfolgreich anwenden lassen. Eine Frage, auf die es keine einfachen, vor allem aber keine allgemeingültigen Antworten gibt.


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Anna Reitinger

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