HAUPTSACHE AGIL...?

JÜNGER, SCHNELLER, DIGITALER. DIE ENTWICKLUNG VON SMARTEN PRODUKTEN VERÄNDERT TEAMS UND PROZESSE IN DER R&D-ORGANISATION.

Auf der Suche nach geeigneten Zusammenarbeitsmodellen greifen Unternehmen häufig zu Standardmethoden aus dem Lehrbuch der agilen Produktentwicklung – und scheitern damit. Denn Methoden & Tools allein reichen nicht aus. Wer sein R&D-Team erfolgreich transformieren will, muss zunächst die Organisation selbst befähigen.

Um zu verstehen, welche Umbruchphase der R&D-Bereich gerade durchläuft, lohnt sich zunächst der Blick auf eine andere Unternehmensfunktion: So zeigt eine VDI-Umfrage unter HR-Verantwortlichen, dass der Anteil an klassischen Ingenieuren von derzeit knapp zwei Dritteln innerhalb der nächsten fünf Jahre auf unter 50 Prozent fallen soll – während gleichzeitig der Bedarf an IT-Fachkräften und IT-Ingenieuren massiv ansteigt. Im Kampf um die begehrten IT-Experten bedeutet das zunächst eine besondere Herausforderung für klassische Industrieunternehmen. Doch mit dem Aufbau neuer Kompetenzen allein ist es nicht getan. Nur wenn Unternehmen es schaffen, diese auch erfolgreich in die bestehende Entwicklungsorganisation zu integrieren, sind effiziente Prozesse möglich. Dabei gilt es, die neuen Anforderungen einer smarten Produktentwicklung zu berücksichtigen:

  • NEUE KOMPETENZEN & METHODEN
    Mit zunehmendem Software-Anteil in den Produkten steigt der Bedarf an neuen Kompetenzen im R&D-Bereich: Software-Entwickler, SW-Architekten, SW-Tester und ähnliche Funktionen bringen neue Arbeitsweisen ein und verändern die Zusammensetzung der Teams und die Kultur in der Entwicklungsorganisation.
     
  • HÖHERE KOMPLEXITÄT DER SYSTEME
    Smart Products bestehen aus einer Vielzahl von physischen und nicht physischen Komponenten mit teils sehr unterschiedlichen Entwicklungszeiten. Dadurch steigen die Komplexität und der Abstimmungsaufwand im Gesamtsystem.
     
  • KÜRZERE INNOVATIONSZYKLEN
    Insbesondere in B2C-nahen Branchen erfolgen Produkt-Updates in immer kürzeren Abständen und stellen dadurch neue Anforderungen an die Entwicklungsgeschwindigkeit und Automatisierung in der SW- und Systementwicklung.
     
  • BETRACHTUNG DES GESAMTEN PRODUKTLEBENSZYKLUS
    Der Software-Anteil in den Produkten verlängert sich die Entwicklungsphase bis in den laufenden Betrieb hinein. Ressourcen in der SW-Entwicklungsorganisation sind somit wesentlich länger an ein Produkt gebunden.

Der Druck auf Unternehmen, ihre Abläufe an diese veränderten Rahmenbedingungen der digitalen Produktentwicklung anzupassen, befördert vielfach die Adaption neuer Tools und Methoden. Unter dem Buzzword der „agilen Produktentwicklung“ setzen viele von ihnen auf bekannte Frameworks aus der Software-Entwicklung, wie etwa Scrum, SAFe, LeSS oder Nexus. Die Einführung agiler Methoden allein führt in der Regel jedoch nicht zu einer besseren Zusammenarbeit, da sie auf die meisten Organisationen nicht eins zu eins übertragbar sind. Vielmehr müssen zunächst das Verständnis für die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Rollen in der Entwicklungsabteilung geschärft und die Prozesse und Organisationsstrukturen daran ausgerichtet werden.

ENTWICKELN UNTER LABORBEDINGUNGEN

Das beginnt beim organisatorischen Aufbau von Entwicklungsteams und ihrer Verortung innerhalb des Unternehmens. Je nach Art des Innovationsvorhabens kann es beispielsweise sogar Sinn machen, diese aus der bestehenden Organisation auszulagern, etwa in Form von Ausgründungen oder Spin-offs des Kernunternehmens. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um eine grundlegend neue Technologie handelt, deren Entwicklung und die dabei eingesetzten Methoden die bestehende Organisation überfordern und dadurch die Entwicklungsgeschwindigkeit bremsen könnten. Umgekehrt lässt sich so das funktionierende Bestandsgeschäft vor den Risiken bei Neuentwicklungen schützen. Die zentrale Herausforderung bei dieser Art des Vorgehens besteht allerdings in der Re-Integration des ausgelagerten Bereichs in die Kernorganisation nach Abschluss der Entwicklung sowie in der Erzielung von Synergieeffekten zwischen der bestehenden und der neuen Entwicklungsorganisation.

MIT KOMMUNIKATION GEGEN DIE SILOBILDUNG

Bei der Erweiterung bestehender Produkte um einen Software-Anteil geht es hingegen vor allem darum, die unterschiedlich getakteten Entwicklungsströme zu synchronisieren und das Entstehen von Silos innerhalb der Entwicklungsabteilung zu verhindern. Das erfordert einen hochintegrierten Ansatz mit regelmäßigen Synchronisationspunkten zwischen den einzelnen Disziplinen. In Entwicklungsabteilungen, die nach getrennten Fachteams, wie etwa der Hardware-, Software- oder Elektronikentwicklung organisiert sind, erfordert das einen hohen Planungs- und Kommunikationsaufwand. Einen Gegenentwurf dazu liefern crossfunktionale Teams, die sich aus Spezialisten der verschiedenen Fachdisziplinen zusammensetzen und so in der Lage sind, smarte Komponenten von Anfang bis Ende vollständig umzusetzen. Dadurch erhöht sich nicht nur die Transparenz hinsichtlich gegenseitiger Abhängigkeiten im Entwicklungsprozess – auch die Entwicklungsgeschwindigkeit kann durch die parallele disziplinübergreifende Arbeit an einzelnen Komponenten substanziell erhöht werden.

DAS ORGANIGRAMM FOLGT DER AUFGABE

Für die meisten Unternehmen bedeutet das einen echten Paradigmenwechsel: Denn an die Stelle einer fixen nach Fachteams strukturierten Entwicklungsorganisation tritt in der smarten Produktentwicklung eine flexible Organisation aus wechselnden und interdisziplinär besetzten Kleinstgruppen, die über einen begrenzten Zeitraum gemeinsam an einer bestimmten Aufgabe arbeiten, bevor sie sich wieder neu zusammensetzen. Nicht mehr die fachliche Ausrichtung ist demnach entscheidend für die Teamzugehörigkeit eines Mitarbeiters, sondern die Aufgabe, an der dieser gerade arbeitet. Dadurch erhöht sich die Dynamik in der Entwicklungsorganisation gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen, indem Teammitglieder häufiger und schneller zwischen den Teams wechseln. Zum anderen, indem die einzelnen Entwicklungspakete bzw. Inkremente in der Regel kleiner zugeschnitten sind und so enger getaktete Release-Zyklen ermöglichen. Unabhängig von der Wahl einzelner Methoden steht diese Flexibilisierung im Zentrum einer agilen Produktentwicklung.

DIE TRANSFORMATION ERFOLGREICH BEGLEITEN

Nicht nur für die Organisation insgesamt, auch für die einzelnen Mitarbeiter stellt dieses agile Vorgehen einen radikalen Bruch mit gewohnten Arbeitsweisen dar. Um sie auf dem Weg zu einer neuen Form der agilen Zusammenarbeit nicht zu verlieren, müssen Unternehmen und ihre Führungskräfte diesen Transformationsprozess intensiv begleiten. Dabei gelten fünf Prämissen:

1. DIE RICHTIGE ARBEITSWEISE FÜR DEN RICHTIGEN PROZESS

Smarte Produkte bestehen aus verschiedenen Komponenten mit teilweise sehr unterschiedlichen Entwicklungszyklen. Umso wichtiger ist es, für jeden Prozesstyp bzw. jedes Projekt die jeweils passende Methode zu finden und anzupassen. Dabei gilt gerade nicht die Devise „One does fit all“. Während etwa Scrum für den Software-Bereich einen hohen Mehrwert liefert, kann es in der Mechanikentwicklung eher hinderlich wirken.

2. ZIELE BESCHREIBEN UND METHODIK BEGRÜNDEN

Agile Methoden müssen nicht nur für das Unternehmen mehrwertstiftend sein, etwa in Form von kürzer getakteten Inkrementen bzw. Release-Zyklen – dieser Mehrwert muss auch gegenüber den Mitarbeitern klar kommuniziert und begründet werden. Dabei muss deutlich werden, dass es sich nicht nur um einen Methodenwechsel, sondern ein neues Verständnis vom Produktlebenszyklus handelt.

3. ERST ADAPTIEREN – DANN QUALIFIZIEREN

Training und Qualifizierung spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Allerdings kann man nur dann effektiv trainieren, wenn man weiß, was trainiert werden muss. Denn Standardschulungen funktionieren ebenso wenig wie Standardmethoden. Deshalb gilt: zuerst Methode finden, dann adaptieren und schließlich gezielt qualifizieren. Individuelle Trainingspläne und abteilungsspezifische Schulungen sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren.

4. SCHRITTWEISE EINFÜHREN

Um die Organisation und ihre Mitarbeiter nicht zu überfordern, empfiehlt sich die schrittweise Einführung neuer Arbeitsweisen in ausgewählten Pilot-Teams. Die dort gesammelten Erfahrungen können anschließend bei der Übertragung auf die übrigen Bereiche genutzt werden.

5. ERFOLGE AUFZEIGEN

Gleichzeitig erzeugt die Pilotierungsphase auch eine Sichtbarkeit für die neuen Methoden in der Organisation und hilft dadurch, Widerstände abzubauen und die Wirksamkeit der eingesetzten Prozesse aufzuzeigen.

DIE TRANSFORMATION ERFOLGREICH BEGLEITEN

Nicht nur für die Organisation insgesamt, auch für die einzelnen Mitarbeiter stellt dieses agile Vorgehen einen radikalen Bruch mit gewohnten Arbeitsweisen dar. Um sie auf dem Weg zu einer neuen Form der agilen Zusammenarbeit nicht zu verlieren, müssen Unternehmen und ihre Führungskräfte diesen Transformationsprozess intensiv begleiten. Dabei gelten fünf Prämissen:

1. DIE RICHTIGE ARBEITSWEISE FÜR DEN RICHTIGEN PROZESS

Smarte Produkte bestehen aus verschiedenen Komponenten mit teilweise sehr unterschiedlichen Entwicklungszyklen. Umso wichtiger ist es, für jeden Prozesstyp bzw. jedes Projekt die jeweils passende Methode zu finden und anzupassen. Dabei gilt gerade nicht die Devise „One does fit all“. Während etwa Scrum für den Software-Bereich einen hohen Mehrwert liefert, kann es in der Mechanikentwicklung eher hinderlich wirken.

2. ZIELE BESCHREIBEN UND METHODIK BEGRÜNDEN

Agile Methoden müssen nicht nur für das Unternehmen mehrwertstiftend sein, etwa in Form von kürzer getakteten Inkrementen bzw. Release-Zyklen – dieser Mehrwert muss auch gegenüber den Mitarbeitern klar kommuniziert und begründet werden. Dabei muss deutlich werden, dass es sich nicht nur um einen Methodenwechsel, sondern ein neues Verständnis vom Produktlebenszyklus handelt.

3. ERST ADAPTIEREN – DANN QUALIFIZIEREN

Training und Qualifizierung spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Allerdings kann man nur dann effektiv trainieren, wenn man weiß, was trainiert werden muss. Denn Standardschulungen funktionieren ebenso wenig wie Standardmethoden. Deshalb gilt: zuerst Methode finden, dann adaptieren und schließlich gezielt qualifizieren. Individuelle Trainingspläne und abteilungsspezifische Schulungen sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren.

4. SCHRITTWEISE EINFÜHREN

Um die Organisation und ihre Mitarbeiter nicht zu überfordern, empfiehlt sich die schrittweise Einführung neuer Arbeitsweisen in ausgewählten Pilot-Teams. Die dort gesammelten Erfahrungen können anschließend bei der Übertragung auf die übrigen Bereiche genutzt werden.

5. ERFOLGE AUFZEIGEN

Gleichzeitig erzeugt die Pilotierungsphase auch eine Sichtbarkeit für die neuen Methoden in der Organisation und hilft dadurch, Widerstände abzubauen und die Wirksamkeit der eingesetzten Prozesse aufzuzeigen.

FAZIT

Dieses systematische Vorgehen macht deutlich, dass eine agile Produktentwicklung mehr umfasst als die Einführung einzelner Methoden und Arbeitsweisen. Vielmehr geht es um eine ganzheitliche Transformation des R&D-Bereichs. Sie umfasst sowohl strukturelle und prozessuale Veränderungen, wie etwa die Zusammensetzung und Kommunikation innerhalb und zwischen Entwicklungsteams, als auch die Sensibilisierung und Qualifizierung der einzelnen Mitarbeiter.