„Wir entwickeln Systeme für Megatrends “

DIALOG: Herr Dr. Mertin, Jenoptik zählt die Halbleiter-, Automobil- und Luftfahrtindustrie, die Hersteller von Sicherheits- und Wehrtechnik zu ihren Kunden. Wie stark sind Ihre Kunden von der zunehmenden politischen und ökonomischen Volatilität betroffen?

MM: Die konjunkturelle Abschwächung, vor allem in Europa, verunsichert die Märkte. Allerdings ist die Lage noch stabil, teilweise besser als erwartet – auch was Zyklen betrifft. Beispielsweise wurde noch zum Jahresbeginn Halbleiterausrüstern ein deutlicher Umsatzrückgang vorhergesagt. Das ist so bisher nicht ganz eingetroffen. Auch die Nachfrage aus der Automobilbranche nach unserer Messtechnik ist, vor allem außerhalb Europas, weiterhin hoch. Die Sicherheitsund Wehrtechnik ist vom Prinzip her langfristig orientiert. Budgetkürzungen wirken damit auch langfristig, wir setzen dem exzellente Produkte, Internationalisierung und zunehmend zivile Transfers entgegen. Kurzum: Zyklische Schwankungen können wir gut abfedern. Unser Wachstum wird außerdem durch die Ausrichtung auf Megatrends unterstützt – wie Effizienz, Mobilität, Gesundheit, Sicherheit. Diese Trends bestehen langfristig, da kann es auch zwischendurch in einzelnen Branchen mal knirschen.

D: Wie determiniert diese Entwicklung Ihre eigenen Prozesse? Was tun Sie, strategisch und operativ, um reaktionsund adaptionsfähig zu bleiben? MM: Als exportorientiertes Unternehmen haben wir in den letzten Jahren unsere strategischen Hausaufgaben gemacht. Die Jenoptik ist heute fundamental anders aufgestellt. Aus einer kleinteiligen Struktur wurde ein integrierter Optoelektronik- Konzern, in dem unsere Sparten eine gemeinsame Infrastruktur nutzen und so spartenintern und zunehmend übergreifend Synergien nutzen. Das bringt Kostenund Zeitvorteile. Unsere seit 2009 weltweit einheitliche Dachmarke führt zu mehr Vertrauen bei den Kunden. Hinzu kommt, dass Jenoptik auch wieder auf einer soliden Finanzbasis steht: Die Eigenkapitalquote liegt über 50 Prozent, die Cashflows im zweistelligen Millionenbereich, die Nettoverschuldung hat sich mehr als halbiert. Nun arbeiten wir mit Hochdruck daran, unseren global footprint zu verbreitern. Dafür sind exzellente Geschäftsprozesse notwendig, die wir in den Mittelpunkt der internen Weiterentwicklung gerückt haben. Wir führen ein weltweit einheitliches ERPSystem ein und starteten ein umfassendes Programm für Lean-Prozesse im Rahmen unseres Jenoptik-Exzellenz-Programms JEP, das Ihr Haus ja bei dessen Start 2009 begleitet hat und immer noch unterstützt.

„Aus einer kleinteiligen Struktur wurde ein integrierter Optoelektronik-Konzern, in dem unsere Sparten eine gemeinsame Infrastruktur nutzen.“

D: Jenoptik ist in fast 70 Ländern präsent und hat weltweit Produktionsstandorte. Ein komplexes Netzwerk. Wie stark haben sich Ihre Wertschöpfungsprozesse in den letzten Jahren verändert? Wo lagen die Schwerpunkte?

MM: Die Neuausrichtung der Jenoptik, die wir 2008 gestartet haben, hatte zwei Schwerpunkte. Zum einen setzen wir auf die Strategie als integrierter Optoelektronik-Konzern. Wir haben unsere Technologien und Wertschöpfungsketten stärker gebündelt und können Kunden integrierte Lösungen aus einer Hand anbieten. Durch die verstärkten Angebote ganzer, integrierter Systeme und infolge der intensiven Zusammenarbeit mit den Kunden erreichen wir eine höhere Wertschöpfung. Nehmen Sie die Sparte Laser & Materialbearbeitung: Hier verfügen wir über die komplette Wertschöpfungskette – vom Halbleitermaterial für Diodenlaser über Festkörperlaser bis hin zu Anlagen, mit denen zum Beispiel Metall und Kunststoffe bearbeitet werden können. Unsere Wertschöpfungsprozesse haben sich zum anderen aber auch durch unsere Internationalisierung verändert. Wir etablieren neue Vertriebs- und Einkaufsstrukturen sowie Assemblingkapazitäten in den wichtigen Wachstumsmärkten, vor allem in Nordamerika und Asien. So sind wir direkt am Kunden und können gleichzeitig konzernweit Ressourcen aufbauen und nutzen.

D: Jenoptik agiert in einem sehr forschungsintensiven Umfeld, was angesichts der drastisch abnehmenden Prognostizierbarkeit der Konjunktur und immer kürzeren Produktionszyklen erhebliche Risiken birgt. Wie stellen Sie die Effizienz der Entwicklungsprozesse sicher und wie sorgen Sie für eine optimale Verzahnung von Entwicklung und Produktion?

MM: Als Technologiekonzern ist Forschung und Entwicklung ein wesentlicher Erfolgfaktor. Unser Prinzip ‚Sharing Excellence‘ zeigt sich auch hier: Wir entwickeln nah am Kunden und gemeinsam mit ihm. Wertvolles Know-how entsteht vor allem, wenn mehrere Sparten Input einbringen. Ein gutes Beispiel dafür ist der neue Innenprüfsensor, der im Motorenbau für die Inspektion von Zylinderbohrungen eingesetzt wird: Die Messtechnik kommt aus Villingen-Schwenningen, die Optiken von den Kollegen aus Florida, die Innenbeleuchtung aus Triptis. Dieses Produkt hat den letzten Jenoptik-Innovationspreis gewonnen, der auf den jährlichen Innovationstagen vergeben wird – eine wichtige

Austauschplattform im Konzern, bei der Vertrieb, Marketing, Entwickler und Ingenieure zusammenkommen. Insgesamt beträgt 2012 unser Investitionsvolumen 35 Mio Euro, der Großteil davon fließt in modernste Produktionsausstattung. Gleichzeitig setzen wir auf schlanke Prozesse und sind z.B. dabei, unsere Produktentstehungsprozesse zu harmonisieren, indem klare Stage- Gate-Logiken etabliert werden. Auch hierbei hat ROI uns in Pilotsparten intensiv und erfolgreich unterstützt. 

D: Lassen Sie uns einen Blick in die Glaskugel werfen. Welche Trends werden die Optoelektronikindustrie in den nächsten zehn Jahren prägen?

MM: Die Optoelektronik ist eine Querschnittstechnologie, die viele neue Anwendungen ermöglicht und alle wichtigen Megatrends unterstützt, wie Energieeffizienz, Ressourceneffizienz, Gesundheit und Sicherheit. Für diese Megatrends entwickeln und fertigen wir Systeme, die unseren Kunden helfen, erfolgreich zu sein. Mit optischen Systemen unterstützen wir die Herstellung neuer und leistungsstärkerer Chips. Unsere Lasertechnik wird als sehr effizientes Werkzeug eingesetzt, zum Beispiel für die 3D-Bearbeitung von Metall im Automobilbau oder bei der Bearbeitung künftiger Werkstoffe, wie Leichtgewichtkonstruktionen. Beim Thema Ressourceneffizienz stehen unter anderem auch sparsame und emissionsarme Motoren im Fokus – nur mithilfe modernster Messtechnik können Verbrennungsmotoren dafür optimiert werden. Optoelektronik wird auch eingesetzt, um den Straßenverkehr weltweit sicherer zu machen und damit dem steigenden Mobilitätsbedürfnis der Menschen gerecht zu werden. Insgesamt gibt es also sehr viele Bereiche in der Industrie, aber auch für Endkonsumenten, in denen Fortschritt wesentlich durch Optoelektronik gefördert wird. Damit ist die Optoelektronik eine Wachstumsbranche. Im Markt selber werden wir voraussichtlich eine Konsolidierung sehen, denn globale Kunden und globale Märkte effizient zu bedienen erfordert globale Strukturen. Genau an denen arbeiten wir aktuell.

„Sharing Excellence: Wir entwickeln nah am Kunden und gemeinsam mit ihm.“