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Interview
„Viele Private-Equity-Unternehmen sind auf die ‘Low Hanging Fruits‘ fokussiert.“
Experte: Thomas Plasa, Partner, TSETINIS-EFESO | 08.09.2024 | Teilen auf in

Wie Private Equity (PE)-Firmen durch ein ganzheitliches Kostenmanagement nachhaltige Werte schaffen*
Interview mit Andreas Dörken, Larry Keeley, Fabian Rodriguez (ARGO-EFESO) und Thomas Plasa (TSETINIS-EFESO)
Warum ist ein ganzheitlicher Ansatz zum Kostenmanagement für Private-Equity-Investoren in der Fertigungsindustrie so wichtig?
Andreas Dörken: Viele Portfoliounternehmen durchlaufen den Private-Equity-Zyklus jetzt zum zweiten oder dritten Mal. PE-Eigentümer müssen sich daher viel intensiver mit der Frage auseinandersetzen, wie sie die Wertschöpfung steigern wollen. Es reicht nicht mehr aus, kleine Verbesserungen in isolierten Bereichen vorzunehmen. Sie müssen jederzeit das Gesamtbild betrachten und somit erkennen, wie sich die unterschiedlichen Hebelwirkungen zwischen Prozessen, Produkten und Funktionen wie Einkauf oder Produktion am besten kombinieren lassen.
Thomas Plasa: Die Kapitalkosten sind erheblich gestiegen – und PE-Firmen können nur einmal ihr Geld ausgeben. Deshalb ist es wichtig, dass sie die richtigen Entscheidungen darüber treffen, wo sie investieren und wie sie im Laufe der Zeit investieren. Die Automobilindustrie hat vor etwa 20 Jahren damit begonnen, systematisch an der Kostenentwicklung zu arbeiten. Damals haben wir ein Team aus Branchenexperten zusammengestellt und Kostenstrukturen, Systeme und Instrumente entwickelt. Mit diesen unterstützen wir unsere Kunden auch heute noch dabei, die Auswirkungen verschiedener Strategien zu simulieren und einen optimalen Weg für das Kostenmanagement zu finden.
Beim Gesamtkostenmanagement sind in der Fertigungsindustrie einige wichtige Aspekte zu beachten: Der erste lautet, die Kosten aus der Perspektive des Produkts, der Prozesse und des Kohlendioxidausstoßes des Unternehmens zu betrachten. Zweitens ist die Erkenntnis notwendig, dass jede Funktion im Unternehmen ihren Beitrag zur Senkung der Gesamtbetriebskosten leisten muss. Zudem sollten Unternehmen bei der Bewertung einer Investition den gesamten Kostenzyklus berücksichtigen. Dies beginnt mit der Messung der Top-down-Zielkosten des Unternehmens, der Bottom-up-Produktkostenentwicklung und der Prozesskosten und reicht bis zur Kostenentwicklung durch interne Optimierung sowie Verhandlungen mit Lieferanten.
Wissen Private-Equity-Firmen, dass das Kostenmanagement nicht schrittweise, sondern ganzheitlich angegangen werden muss?
Larry Keeley: Viele Private-Equity-Unternehmen sind immer noch auf die „Low Hangig Fruits“ fokussiert. Die Variante, die Ausgaben ganzheitlich zu betrachten - um dem Portfoliounternehmen zu helfen, diese Ausgaben bestmöglich zu nutzen - wird dabei oft übersehen. Einige PE-Firmen betrachten instinktiv die Handlungsoptionen an und priorisieren diejenigen, die besonders leicht ergriffen werden können. Aber so kann es schnell geschehen, dass sie in eine Silo-Mentalität abgleiten und eben nicht das gesamte Unternehmen betrachten.
AD: Manche Unternehmen sind bei betrieblichen Verbesserungen sehr viel anspruchsvoller als andere. Es hängt auch davon ab, wie lange ein Fonds an einem Portfoliounternehmen festhält. Im Falle einer sehr kurzen Haltezeit liegt es nahe, dass sie sich zuerst um die Dinge kümmern, die sehr schnell und einfach erledigt werden können. Aber auf diesem Markt halten immer mehr Private-Equity-Fonds ihre Investitionen länger als die vorgeschriebenen drei bis fünf Jahre. Wenn dann den Eigentümern die Ideen für inkrementelle Verbesserungen ausgehen, müssen sie eine ganzheitliche Perspektive einnehmen.
Fabian Rodriguez: Dass man nicht mehr ausschließlich auf Umsatzsteigerung und Margenwachstum fixiert sein kann, ist vielen Unternehmen bereits bewusst. Der Aspekt der „Mehrfachexpansion“ ist ebenfalls relevant, was wiederum einen längerfristigen Ansatz erfordert. Aber selbst Unternehmen, die dies verstanden haben, kämpfen damit, alle drei Hebel - Umsatzsteigerung, Margenausweitung und Mehrfachexpansion - zugleich bedienen zu können.
„Die Ermittlung von Kostensenkungschancen und deren Umsetzung sollte kein einmaliges Ereignis sein.“
Wie hat der Inflationsdruck die Einstellung zum Kostenmanagement beeinflusst?
AD: Der einfachste Weg, um der Inflation zu entgehen, besteht in der Weitergabe der Preiserhöhungen an die Kunden. In den meisten Fällen ist das aber nicht möglich. Wer jedoch nichts unternimmt, kann mit schrumpfenden Gewinnspannen konfrontiert werden. Wenn wir Diligence-Prozesse begleiten, sehen wir uns oft Business-Pläne an, in denen Unternehmen Kostenoptimierungen planen, um die Auswirkungen einer Inflation von zwei, drei oder vier Prozent abzumildern. Wir sagen dann immer: Das ist nicht genug! Es ist mehr notwendig, als nur die Inflation zu decken. Die Inflation ließe sich wahrscheinlich ausgleichen, indem man den Druck auf Lieferanten erhöht. Wer größere Einsparungen realisieren will, muss aber grundlegende und strukturelle Änderungen vornehmen.
FR: Die Inflation ist einer der Gründe, warum ein nachhaltiges Kostenmanagementprogramm und eine solide Kostenoptimierung innerhalb des Portfoliounternehmens sicherzustellen sind. Die Ermittlung von Kostensenkungschancen und deren Umsetzung sollte aber kein einmaliges Ereignis sein. Dieses Vorgehen ist regelmäßig notwendig. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, in einem Unternehmen die Kompetenzen aufzubauen, um das Kostenmanagement nachhaltig zu gestalten.
Was sind wesentliche Erfahrungswerte aus der Automobilindustrie bei diesem Thema?
AD: Einer der wichtigsten Punkte ist die Bedeutung von Flexibilität, wenn es um den Umgang mit technologischen Innovationen geht, wie etwa in der Batterieindustrie. Einige Unternehmen müssen heute die Folgen der vormals von ihnen getroffenen Technologieentscheidungen bewältigen. So lange wie möglich flexibel zu bleiben, ist also von entscheidender Bedeutung. Das kann erfordern, die Erwartungen an eine bestimmte Technologie nach unten zu korrigieren und dies mit einer Berücksichtigung anderer Technologien auszubalancieren.
Diese Abwägungen und Entscheidungen sind schwer zu tätigen – aber entscheidungsfähig wird, wer die Kostenstrukturen und das Marktpotenzial transparent macht. Wichtig sind die Gesamtkosten. Setzt ein Unternehmen alles auf eine Karte, werden Kursänderungen sehr teuer. Arbeitet es mit mehreren Technologien, sind diese Änderungen weniger kostspielig.
Zu welchem Zeitpunkt im Investitionszyklus sollten sich Private-Equity-Investoren in Fertigungsunternehmen auf Kostenmanagementprogramme konzentrieren?
FR: Am sinnvollsten ist es, ein solches Programm zu Beginn der Halteperiode einzuführen. Hat ein PE-Investor fünf bis sieben Jahre Zeit für die Umgestaltung eines Unternehmens, muss er einen umfassenden Ansatz verfolgen, der mehrere Funktionsbereiche und Zulieferer einbezieht. Bei einem frühen Start kann der Investor die Ergebnisse vor dem Exit sehen.
TP: Hier müssen wir auch zwischen bestimmten Unternehmenstypen unterscheiden. Investitionsziele, die einen Greenfield-Ansatz verfolgen, sind in der Regel sehr optimistisch ausgerichtet. Bei diesen Unternehmen bewerten wir die Gesamtstrategie und deren Ausgangsbedingungen. Noch komplizierter wird es, wenn Unternehmen sowohl Brownfield- als auch Greenfield-Projekte verfolgen. Dies trägt auch zur aktuell schwierigen Situation bei, in der sich die deutsche Automobilindustrie befindet: deren Unternehmen müssen parallel zur Einführung neuer Technologien die laufenden Operations-Prozesse managen.
Ein ganzheitlicher Ansatz für das Kostenmanagement ist jedenfalls unabdingbar, denn wir müssen die Strategie ebenso berücksichtigen wie die operativen und funktionalen Ansätze und den Ansatz zur Umsetzung. Wir können mit unseren Kunden die Auswirkungen simulieren und Szenarien im Sinne von „Best Case“, „realistisch“ und „Worst Case“ aufzeigen.
„Wir können die besten Ansatzpunkte für Nachhaltigkeit und Emissionssenkungen in Bezug auf die Supply-Chain-Perspektive simulieren.“
Inwiefern beeinflusst ein gutes Kostenmanagement die Exit-Bewertung?
LK: Ganz entscheidend. Wer als PE-Inhaber nachweisen kann, dass sich ein Unternehmen auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Kostenmanagement befindet, ist in einer besseren Position, um beim Unternehmensverkauf einen besseren Multiple zu erzielen. Auch wenn das Unternehmen diesen Weg noch nicht vollendet hat, kann der Inhaber zum Zeitpunkt des Verkaufs einen hohen Kredit dafür erhalten.
FR: Wir sind im Private-Equity-Sektor auch als Berater bei der Due-Diligence-Prüfung von Käufern tätig, d. h. wir helfen Investoren bei der Bewertung eines Zielunternehmens. Wir achten unter anderem darauf, ob das Unternehmen im Vergleich zu anderen einen soliden Kostensenkungsansatz hat: Verfügt es über die richtige Datenbasis – und hat es die richtigen Prozesse etabliert?
Worüber können Private-Equity-Firmen den Bedarf an Investitionen zur Förderung des Unternehmenswachstums mit der Notwendigkeit der Kostenkontrolle ausbalancieren?
FR: Der Schlüssel ist, den zukünftigen Strom aller Cashflows überblicken zu können. Um dies zu erreichen, besteht der ideale Weg manchmal darin, die Kosten kurzfristig zu erhöhen, etwa wenn es um Qualität, Wartung und die Entwicklung neuer Produkte geht.
Die Notwendigkeit, nach zusätzlichen Wertschöpfungschancen zu suchen, ist für die Branche von zentraler Bedeutung, und dies erfordert manchmal, erhöhte Kosten zu akzeptieren. Diese zusätzlichen Wertschöpfungschancen zu nutzen, erfordert wiederum Investitionen in bessere Instrumente und Prozesse. Generell blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft – schließlich werden die Unternehmen immer nach Ansatzpunkten suchen, um ihre Wertschöpfungsprozesse kurz-, mittel- und langfristig zu verbessern.
Wie fließen Nachhaltigkeitsaspekte in Kostenmanagementstrategien mit ein?
TP: Wir können bereits unsere Methodik des Kostenmanagements auf Nachhaltigkeitskonzepte übertragen. Wir arbeiten daran, den CO2-Verbrauch transparent zu machen und Unternehmen zu zeigen, wie sie sich verbessern können, um Strafen oder Besteuerungen zu vermeiden. In dieser Hinsicht optimieren wir nicht nur die Kosten, sondern auch den ökologischen Fußabdruck. Wir können zudem die besten Ansatzpunkte für Nachhaltigkeit und Emissionssenkungen in Bezug auf die Supply-Chain-Perspektive simulieren.
AD: Wir sprachen kürzlich mit Entscheidern aus einem Unternehmen der E-Batterieindustrie, welches ursprünglich beschlossen hatte, nicht in neue Anlagen zur Fertigung von Batteriezellen zu investieren. Stattdessen sollten diese aus China importiert werden. Die CO2-Berechnungen zum Footprint des Produkts verdeutlichten aber, dass dieser Import angesichts steigender Kohlenstoffsteuern zu einem Verlustgeschäft führen würde. Derartige Entscheidungen sind also als strategisch einzuordnen. Den Unternehmen drohen so hohe Kosten, dass sie sich jetzt auf jeden Fall mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen sollten, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
* Das Interview erschien in der Oktober-Ausgabe des Magazins „Private Equity International“ (2024).
Weiter zum Magazin-Beitrag: „EFESO: Reaching beyond the low-hanging fruit“.
Weiter zur englischen Originalversion: „Private Equity International Keynote Interview: Reaching Beyond the Low-Hanging Fruit“.

Interviewpartner
Andreas Dörken, Partner bei ARGO-EFESO
Andreas Dörken leitet weltweit die Practices „Private Equity" und „F&E/Innovation". Er ist seit mehr als 25 Jahren für Industrieunternehmen sowie in der Unternehmensberatung tätig.

Larry Keeley, Partner bei ARGO-EFESO
Larry Keeley ist Co-Lead der Practice „Private-Equity" in Nordamerika. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Industrie- und Unternehmensberatung, wo er mit C-Level-Teams von führenden Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammenarbeitet, um die Unternehmensleistung zu optimieren.

Fabian Rodriguez, Partner bei ARGO-EFESO
Fabian Rodriguez ist Co-Lead der Practice „Private-Equity" in Nordamerika. Seit mehr als 20 Jahren unterstützt er Unternehmen weltweit in den Bereichen Value Management, Value Strategy und Operations.

Thomas Plasa, Partner bei TSETINIS-EFESO
Mit internationalen Unternehmen realisierte Thomas Plasa bereits über 300 erfolgreiche Projekte in den Bereichen Restrukturierung, Turnaround-Management, Supply Chain-Optimierung, Performance-Management und Kostensenkung. Vor allem im Kontext der Transformation der Automobilindustrie entwickelt er mit seinen Kunden innovative Lösungen zu Produkt-, Prozess- und Strukturanpassungen.
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